Checkliste: Prüfen, planen, anpacken!
Verbindlichkeit
Grundlegend für die Struktur politischer Interessenvertretung, deren Wirksamkeit und Nachhaltigkeit ist u.a. die Herstellung von Verlässlichkeit und Regelhaftigkeit. Dies gelingt u.a. dadurch, dass die Aufgaben, Rechte und Pflichten einer Interessenvertretung (Beirat, Beauftragte o.ä.) festgelegt werden. Genauso wichtig ist eine gute Einbettung der Interessenvertretung in die örtlichen Strukturen, also die Anbindung an politische Gremien, Netzwerke und Institutionen und eine Regelung der Kommunikations- und Informationswege. Festgehalten werden sollten alle Regelungen zur Arbeit der Interessenvertretung in einer Satzung. Dies hat gleich mehrere Effekte: Sie gibt Struktur, sie erhöht die Verbindlichkeit und schafft Vertrauen. Sie erleichtert die (Zusammen-)Arbeit und sie sorgt dafür, dass die Interessenvertretungen als solche anerkannt wird. Ein klarer Auftrag und ein sicheres Selbstverständnis helfen auch in der Wirkung nach außen. Bürger*innen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen können sich besser ein Bild von der Vertretung und ihrer Arbeitsweise machen und sich selber einbringen. Auf dieser Grundlage fällt die Entscheidung für ein Engagement innerhalb der Vertretungsstrukturen leichter.
„Die Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderungen auch auf örtlicher Ebene ist eine Aufgabe von wesentlicher Bedeutung sowohl für die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen als auch für die selbstbestimmte und selbstständige Lebensführung, die Wahrnehmung der Menschen mit Behinderungen als Teil menschlicher Vielfalt sowie für den Schutz vor Diskriminierungen und Benachteiligungen. Das Nähere zur Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderungen bestimmen die Gemeinden und Gemeindeverbände durch Satzung.“
Behindertengleichstellungsgesetz NRW § 13
[Hervorhebungen durch die Redaktion]
Gleichstellung und Vernetzung
Für eine effektive politische Arbeit ist es wesentlich, dass die Interessenvertretung (Beauftragte, Beiräte o.ä.) an alle relevanten politischen Prozesse angebunden sind. Dazu gehört ein verbindlicher und regelmäßiger Austausch des Beirats mit Rat/Ausschüssen,Verantwortlichen aus Verwaltung und anderen Gremien. Ebenfalls grundlegend ist die Vernetzung von Kommunalpolitik, Verwaltung und Interessenvertretung mit örtlichen Selbstvertretungs-Strukturen sowie anderen relevanten Akteur*innen vor Ort. Dies können politisch aktive Einzelpersonen, einzelne Selbsthilfegruppen oder Selbsthilfe-Zusammenschlüsse sein. Unter Selbsthilfe kann verstanden werden, dass sich Menschen aus eigener Betroffenheit von gesundheitlichen und sozialen Problemen zur gegenseitigen Unterstützung in Gruppen oder Verbänden zusammenschließen. Die Kommune sollte Selbstvertretungsstrukturen und politisches Engagement unterstützen.
„Die Vertragsstaaten garantieren Menschen mit Behinderungen die politischen Rechte sowie die Möglichkeit, diese gleichberechtigt mit anderen zu genießen, und verpflichten sich, […]
b) aktiv ein Umfeld zu fördern, in dem Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten mitwirken können, und ihre Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten zu begünstigen, unter anderem […]
i) die Mitarbeit in nichtstaatlichen Organisationen und Vereinigungen, die sich mit dem öffentlichen und politischen Leben ihres Landes befassen, und an den Tätigkeiten und der Verwaltung politischer Parteien.“
UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 29
Gleichstellung und Vernetzung der Kommunalpolitik, Verwaltung und Interessenvertretung
Anerkennung von Inklusion und Partizipation als Querschnittsanliegen
Die Umsetzung von Inklusion ist eine Aufgabe nicht nur für wenige spezielle Fachbereiche wie Bau, Soziales oder Schule. Anders ausgedrückt: Behinderungen bestehen nicht nur in diesen Kontexten. Inklusion als Querschnittsthema berührt somit alle Lebensbereiche und alle Lebensbereiche sollten auch aus der behindertenpolitischen Perspektive betrachtet werden. Arbeit, Familienplanung, Freizeit und Kultur, der Abbau von Stereotypen und Vorurteilen oder ganz konkret: Ein unlesbarer Abfallkalender, ein mangelhaftes Notruf- System, fehlende oder zu barrierebehaftete Kulturangebote – all dies sind Beispiele für Themen, die behindertenpolitische Relevanz besitzen. In allen Angelegenheiten, die sowohl das eigene Leben als auch das Leben aller betreffen können, ist die Partizipation, also die Mitbestimmung, wichtig.
„(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten, […]
c) den Schutz und die Förderung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen in allen politischen Konzepten und allen Programmen zu berücksichtigen; […].“
UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 4
Spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich das Verständnis von Behinderung maßgeblich verändert. Der vollzogene Perspektivwechsel lässt sich prägnant mit folgenden Worten zusammenfassen: Man ist nicht behindert, man wird behindert. In der Definition der UN-BRK heißt es hierzu in Artikel 1:
„Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristig körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“
Aus dem Perspektivwechsel und dem Behinderungsbegriff der UN-BRK resultiert ein wesentlicher und neuer gesamtgesellschaftlicher Auftrag: Nicht die Einzelperson mit Beeinträchtigung muss sich anpassen, um Barrieren zu überwinden. Umwelt- oder einstellungs- bedingte Barrieren müssen systematisch abgebaut oder bei zukünftigen Planungen von vornherein vermieden werden, um eine vollumfängliche Teilhabe für alle Menschen zu ermöglichen. Auch das Land NRW nimmt diesen Ansatz mit seinem Aktionsplan ernst:
„[…]die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung systematisch und verbindlich auf allen gesellschaftlichen Ebenen durchzusetzen. Dieses „Disability Mainstreaming“ vereint die Aspekte Chancengleichheit, Recht auf Teilhabe und Schutz vor Diskriminierung. Auch fordert es die Identifizierung von benachteiligenden und ausschließenden Prozessen und den Abbau dieser Teilhabebarrieren. Disability Mainstreaming ist gleichsam Strategie, Instrument und Querschnittsziel.“1
Mehr zu diesem Thema finden Sie im Aktionsplan NRW inklusiv 2022 der Landesregierung ab S. 24. Zu finden auch online auf dieser Seite.
1 Aktionsplan NRW inklusiv 2022. Beiträge der Landesregierung zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Nordrhein-Westfalen, S. 20.
Behindertenbeauftragte als Schnittstelle zwischen Verwaltung, Politik und Selbsthilfe
Behindertenbeauftragte sind wichtige Schlüsselpersonen, wenn es darum geht, Informationen zu Inklusion und behinderungsspezifischen Belangen in verschiedenen Arbeitsbereichen und Akteursgruppen zu vermitteln. Die beauftragte Person arbeitet als Ombudsund Ansprechperson für Menschen mit Behinderungen. Insgesamt ist er*sie beratend, koordinierend und vernetzend tätig. Innerhalb der Verwaltung agiert sie ressortübergreifend und kann damit Inklusion als Querschnittsthema bedienen. Die Einrichtung der Stelle einer beauftragten Person ist für die Verwaltung ein sinnvolles Mittel, um die notwendige Federführung für den Prozess zur Schaffung von inklusiven Strukturen zu übernehmen. Für eine wirksame Arbeit der Behindertenbeauftragten müssen entsprechende Voraussetzungen erfüllt sein.
Baden-Württemberg ist in dieser Sache schon einen Schritt weiter als NRW und hat die verbindliche Einrichtung einer Stelle für eine beauftragte Person in jedem Stadt-/Landkreis gesetzlich geregelt:
„Kommunale Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen (1) In jedem Stadt- und Landkreis ist eine Beauftragte oder ein Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen (kommunale Behindertenbeauftragte oder kommunaler Behindertenbeauftragter) zu bestellen. In den übrigen Gemeinden können kommunale Behindertenbeauftragte bestellt werden. Die kommunalen Behindertenbeauftragten sind unabhängig und weisungsungebunden.“
Landesgesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen Baden-Württemberg § 15
Selbstvertretung
Partizipation gelingt nur, wenn Menschen aktiv teilhaben und sich auch als Expert*innen in eigener Sache einbringen können. Deshalb müssen die Strukturen, die dies ermöglichen, gemeinsam im Austausch über die unterschiedlichen Bedürfnisse und Perspektiven erarbeitet werden. Menschen mit Behinderungen sollten sich in ihrer Rolle als Selbstvertreter*innen, in ihrem politischen Handeln, in ihrer Mitbestimmung und ihren Interessen stark fühlen. Dies gelingt durch eine entsprechende Vorbereitung auf die Rolle und Aufgabe und durch eine entsprechend entgegenkommende Haltung und Struktur.
„Die Vertragsstaaten garantieren Menschen mit Behinderungen die politischen Rechte sowie die Möglichkeit, diese gleichberechtigt mit anderen zu genießen, und verpflichten sich, b) aktiv ein Umfeld zu fördern, in dem Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten mitwirken können, und ihre Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten zu begünstigen, unter anderem i) die Mitarbeit in nichtstaatlichen Organisationen und Vereinigungen, die sich mit dem öffentlichen und politischen Leben ihres Landes befassen, und an den Tätigkeiten und der Verwaltung politischer Parteien; ii) die Bildung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen, die sie auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene vertreten, und den Beitritt zu solchen Organisationen.“
UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 29
Die organisierte Selbsthilfe als Ausgangspunkt für die politische Selbstvertretung
Um ein Selbstvertretungsgremium wie einen Beirat innerhalb der Kommunalpolitik zu etablieren, braucht es engagierte Menschen mit Behinderungen vor Ort, die mitarbeiten und ihre Bedarfe äußern. Gibt es vor Ort bereits eine Vernetzung von Selbsthilfegruppen und -vereinen in Form eines Selbsthilfe-Zusammenschlusses, ist die Rückkoppelung zur „Basis“ und damit die Legitimation des Interessenvertretungsgremiums erleichtert. Die Rolle des Selbsthilfe-Zusammenschlusses im Bereich der politischen Vertretungsarbeit kann es sein, die Arbeit des Selbstvertretungsgremiums zu begleiten und inhaltliche Impulse zu setzen. Auch Vertreter*innen können in den Beirat entsendet werden. Im Vergleich zum Selbstvertretungsgremium (Beirat o.ä.) ist der Selbsthilfe-Zusammenschluss in der Regel weniger formalisiert. Die Beteiligung im Selbsthilfekontext bietet einen geschützteren Rahmen und damit auch eine niedrigschwellige Zugangsmöglichkeit zu einem politischen Engagement.
Über den Selbsthilfe-Zusammenschluss können Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen erreicht und zur Mitarbeit ermutigt werden. Damit wird eine auf Diversität basierende Gremienarbeit gefördert.
Neben dem Selbsthilfe-Zusammenschluss können auch politisch aktive Einzelpersonen und einzelne Selbsthilfegruppen Impulse liefern und die Gremienarbeit gestalten.
Die Selbsthilfe ist das wichtigste Element der politischen Selbstvertretung. Ihre Organisation und Vernetzung sollte deshalb gefördert und unterstützt werden.
Repräsentativität
Damit die Vielfalt der Bedarfe und Perspektiven in der Politik gesehen und berücksichtigt werden können, braucht es eine divers aufgestellte Interessenbzw. Selbstvertretung. Eine Person mit Sehbehinderung hat beispielsweise ein anderes Alltagserleben und trifft auf andere Barrieren als eine Person mit Lernschwierigkeiten.
„Die Träger öffentlicher Belange wirken aktiv auf ein Umfeld hin, in dem Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend an der Gestaltung der inklusiven Lebensverhältnisse mitwirken können. Dabei sollen Menschen mit Behinderungen darin unterstützt und ermutigt werden, ihre Vereinigungsfreiheit wahrzunehmen, ihre eigenen Kompetenzen zu stärken, in ihren eigenen Angelegeheiten selbstständig und selbstbestimmt tätig zu werden, sowie ihre Interessen zu vertreten. Wesentlich hierfür sind insbesondere Orga- nisationen von Menschen mit Behinderungen, die sie auf Landesebene und kommunaler Ebene vertreten, sowie geeignete unabhängige Beratungs- und Unterstützungsstrukturen.“
Inklusionsgrundsätzegesetz NRW § 9
Niedrigschwellige Einstiege in die Interessenvertretung
Die Verfahren und Strukturen in der Kommunalpolitik sind komplex. Die Interaktionsanforderungen sind sehr spezifisch und wenig flexibel. Die Hemmschwelle, sich kommunalpolitisch zu beteiligen, ist bei vielen deshalb sehr groß. Alternative und kreative Beteiligungsformen bieten eine niedrigschwellige Möglichkeit der politischen Partizipation für alle.
„1) Die Vertragsstaaten garantieren Menschen mit Behinderungen die politischen Rechte sowie die Möglichkeit, diese gleichberechtigt mit anderen zu genießen, und verpflichten sich,
b) aktiv ein Umfeld zu fördern, in dem Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten mitwirken können, und ihre Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten zu begünstigen, unter anderem
i) die Mitarbeit in nichtstaatlichen Organisationen und Vereinigungen, die sich mit dem öffentlichen und politischen Leben ihres Landes befassen, und an den Tätigkeiten und der Verwaltung politischer Parteien;
ii) die Bildung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen, die sie auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene vertreten, und den Beitritt zu solchen Organisationen.“
UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 29
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit ist eine der Grundvoraussetzungen für Teilhabe auch in der Kommunalpolitik und sollte zur Selbstverständlichkeit werden. Notwendige Unterstützungsangebote müssen sichergestellt werden. Unterschiedliche Formate sowie alternative Kommunikationsmöglichkeiten für Sitzungen und Veranstaltungen sollten grundsätzlich in Betracht gezogen werden. Alle Kommunikationswege sollten barrierefrei und vielseitig gestaltet sein: digital und analog.
„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.“
Behindertengleichstellungsgesetz NRW § 4
Anerkennung und Wertschätzung
Auch wenn es eigentlich eine Selbstverständlichkeit im Umgang untereinander sein sollte: Die fehlende Anerkennung und Wertschätzung des ehrenamtlichen Engagements ist ein häufig genannter Kritikpunkt von Aktiven in der Selbstvertretung. Wertschätzende Kommunikation, ein konstruktiver Austausch auch bei unterschiedlichen Bedürfnissen, Ansichten und das regelmäßige Reflektieren der eigenen Position sind Fragen der Übung und wesentlicher Teil eines gelingenden partizipativen Prozesses.
„(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, sofortige, wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um
b) Klischees, Vorurteile und schädliche Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderungen, einschließlich aufgrund des Geschlechts oder des Alters, in allen Lebensbereichen zu bekämpfen;
c) das Bewusstsein für die Fähigkeiten und den Beitrag von Menschen mit Behinderungen zu fördern.
(2) Zu den diesbezüglichen Maßnahmen gehören:
(a) ii) eine positive Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen und ein größeres gesellschaftliches Bewusstsein ihnen gegenüber zu fördern,
b) die Förderung einer respektvollen Einstellung gegenüber den Rechten von Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen des Bildungssystems, auch bei allen Kindern von früher Kindheit an.“
UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 8
Unterstützungs-, Anerkennungs und Entlastungsmöglichkeiten für die ehrenamtliche Vertretungsarbeit
Diejenigen, die sich in Interessenvertretungen engagieren, machen dies in vielen Fällen mit einem großen Einsatz von zeitlichen und auch finanziellen Ressourcen. Manchmal werden weite Anfahrten in Kauf genommen und Assistenzkosten aus der eigenen Tasche gezahlt. Weil die Kommunen von ihrem bürgerlichen Engagement profitiert, sollte dieses entsprechend unterstützt werden.
„(1) Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten.
(2) Die Vertragsstaaten treffen außerdem geeignete Maßnahmen […]
e) um menschliche und tierische Hilfe sowie Mittelspersonen, unter anderem Personen zum Führen und Vorlesen sowie professionelle Gebärdensprachdolmetscher und -dolmetscherinnen, zur Verfügung zu stellen mit dem Ziel, den Zugang zu Gebäuden und anderen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen, zu erleichtern;
f) um andere geeignete Formen der Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen zu fördern, damit ihr Zugang zu Informationen gewährleistet wird […].“
UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 9
Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung
Ein großer Teil des Engagements von Aktiven in den Interessenvertretungen, aber auch viele Maßnahmen und Fortschritte der Kommunen werden nach außen wenig kommuniziert. Eine größere Sichtbarkeit kommt dabei allen zugute: Die Kommune kann zeigen, was sie leistet und die Interessenvertretungen werden bekannter. Sie werden als Anlaufstelle und Möglichkeit für ein eigenes Engagement wahrgenommen.
Die Sichtbarkeit der Arbeit der kommunalen Entwicklung hin zu mehr Inklusion wirkt zudem bewusstseinsbildend und sensibilisierend auf die Allgemeinheit.
Bewusstseinsbildende Maßnahmen können Vorurteile abbauen und Diskriminierungen bekämpfen, zum Beispiel durch Selbsterfahrungen oder direkte persönliche Kontakte.
„(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, sofortige, wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um
a) in der gesamten Gesellschaft, einschließlich auf der Ebene der Familien, das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern;
b) Klischees, Vorurteile und schädliche Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderungen, einschließlich aufgrund des Geschlechts oder des Alters, in allen Lebensbereichen zu bekämpfen;
c) das Bewusstsein für die Fähigkeiten und den Beitrag von Menschen mit Behinderungen zu fördern.
(2) Zu den diesbezüglichen Maßnahmen gehören
a) die Einleitung und dauerhafte Durchführung wirksamer Kampagnen zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit mit dem Ziel,
i) die Aufgeschlossenheit gegenüber den Rechten von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen,
ii) eine positive Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen und ein größeres gesellschaftliches Bewusstsein ihnen gegenüber zu fördern,
iii) die Anerkennung der Fertigkeiten, Verdienste und Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen und ihres Beitrags zur Arbeitswelt und zum Arbeitsmarkt zu fördern;
b) die Förderung einer respektvollen Einstellung gegenüber den Rechten von Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen des Bildungssystems, auch bei allen Kindern von früher Kindheit an;
c) die Aufforderung an alle Medienorgane, Menschen mit Behinderungen in einer dem Zweck dieses Übereinkommens entsprechenden Weise darzustellen;
d) die Förderung von Schulungsprogrammen zur Schärfung des Bewusstseins für Menschen mit Behinderungen und für deren Rechte.“
UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 8
Vielen Dank für Ihre Teilnahme!
Mit dieser Checkliste können Sie sich ein strukturiertes Bild darüber machen, inwiefern sich die Interessenvertretung in Ihrem Wohnort an der UN-BRK orientiert. Alle Fragen haben die gesetzlichen Vorgaben der UN-BRK, des Behindertengleichstellungsgesetzes NRW und des Inklusionsgrundsätzegesetzes NRW zur Grundlage. Die Fragen sind damit gleichzeitig Empfehlungen, die zu einer wirksamen politischen Teilhabe auf Augenhöhe und zu einer Verbesserung der Vertretungsarbeit führen.
Das heißt: Je mehr Fragen Sie mit „Setzen wir größtenteils um“ und „Setzen wir vollständig um“ beantwortet haben, desto besser erfüllt die Interessenvertretung die bestehenden gesetzlichen Vorgaben und desto wirksamer arbeitet sie. In Bereichen wo Sie Fragen mit „Setzen wir wenig um“ und „Setzen wir nicht um“ besteht folglich noch Handlungsbedarf.
Ihre Auswertung
Sie haben die Checkliste ausgefüllt, wie geht es weiter?
Nachdem Sie einen Eindruck gewonnen haben, in welchen Themenfeldern Ihre Kommune Aufholbedarf hat oder ansetzen kann, wenn es hakt, können Sie unsere Seite mit „Praxis-Tipps“ passend zu den einzelnen Themenbereichen der Checkliste besuchen. Hier finden Sie zum Beispiel:
- Anlaufstellen
- Handlungstipps
- weitere Hintergrund-Informationen
So können Sie auf Grundlage Ihrer Ergebnisse passgenaue Lösungswege für Ihre Kommune entwickeln.
(Kommunal-)Politik für alle