FAQ
Kommunalpolitische Partizipation von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen ist ein komplexes Thema, das viele Fragen aufwirft. Wir haben an dieser Stelle einige typische Fragen beantwortet. Nutzen Sie diese gerne als eigenen Einstieg ins Thema und als Argumentationshilfe für die Interessenvertretung bei Ihnen vor Ort.
Warum muss es für die politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen “besondere Regeln” geben?
Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gemeinschaft und auch am politischen Leben hat in Deutschland noch keine lange Tradition. Im Gegenteil: Wir haben eine lange Tradition der Fürsorge und Exklusion. Das heißt, Menschen mit Behinderungen haben, von anderen abgegrenzt, in Sondereinrichtungen gelebt, ihre Schulzeit verbracht und gearbeitet. Vielfach trifft das auch heute noch zu. Menschen mit Behinderungen und ihre Belange wurden seitens der politischen Entscheidungsträger*innen nicht bedacht.

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Wie viele Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen gibt es in NRW?
Mindestens 20 Prozent der Einwohner*innen Nordrhein-Westfalens sind von einer Behinderung oder einer chronischen Erkrankung betroffen. Das sind rund 3,67 Millionen Menschen. Diese Zahl geht aus dem Teilhabebericht des Landes NRW aus dem Jahr 2020 hervor.

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Was ist der Unterschied zwischen „Inklusion“ und „Partizipation“?
Inklusion bedeutet die umfassende, gleichberechtigte, selbstverständliche und barrierefreie Möglichkeit und das Recht aller Menschen in allen Lebensbereichen (wie bei der Arbeit, beim Wohnen, in der Freizeit) einbezogen zu werden. Partizipation beschreibt das Teilhaben, also in verschiedenen Lebensbereichen dabei sein, mitmachen und mitentscheiden können, so eben auch am politischen Leben. Die beiden Begriffe sind nicht ganz trennscharf und greifen ineinander über: Wenn etwas „inklusiv“ ist, beinhaltet das immer auch, dass es „partizipativ“ ist.
In unserem Projekt geht es konkret um politische Partizipation. Damit ist die Möglichkeit gemeint, die eigene Meinung und die eigenen Interessen selbst einbringen und so die (Kommunal-)politik mitgestalten zu können. Es geht also in unserem Kontext spezifisch um den Aspekt der kommunalen Interessenvertretung, nicht um Teilhabe bzw. Partizipation allgemein.

Was ist der Mehrwert für Kommunalpolitik und Verwaltung, wenn sich Menschen mit Behinderungen politisch beteiligen (können)?
Durch eine frühzeitige Einbindung von Menschen mit Behinderungen in politische Prozesse können Planungsfehler vermieden werden. Nur wenn Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen in die Planungsprozesse mit einbezogen werden, kann gewährleistet werden, dass möglichst alle Menschen an dem Ergebnis gut teilhaben können. Stellt man erst im Nachhinein fest, dass bestimmte Bedarfe nicht berücksichtigt wurden, sind anschließende Änderungen oft mit Mehrkosten verbunden.

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Was sind Interessenvertretungen und wie sollten sie beschaffen sein?
Es gibt verschiedene Formen und Modelle, wie die Interessen von Menschen mit Behinderungen auf kommunaler Ebene vertreten bzw. gewahrt werden können. Grundsätzlich kann zwischen einer stellvertretenden Form und der eigenen, direkten Interessenvertretung unterschieden werden. Mehr Informationen zum Thema „Interessenvertretungen“ haben wir hier zusammengestellt.

Welche Barrieren gibt es in der politischen Partizipation von Menschen mit Behinderungen und wie können diese abgebaut werden?
Es gibt leider noch recht viele Barrieren, die die kommunalpolitische Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen behindern. Die Barrieren sind je nach Beeinträchtigung und individueller Erfahrung unterschiedlich. Einige typische Barrieren listen wir im Folgenden auf.

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Unkenntnis
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Fehlende Zugänglichkeit von Informationen
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Barrieren bei der Teilnahme an Sitzungen, Veranstaltungen, Sprechstunden,…
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Zwischenmenschliche Barrieren: Unsicherheiten im Umgang
Warum und wie lange braucht man besondere Beauftragte und andere Interessenvertretungen? Sollten Menschen mit Behinderungen nicht in genau derselben Art und Weise wie Menschen ohne Behinderungen kommunalpolitisch teilhaben?
Das ist generell richtig. Im Verständnis der UN-BRK ist die langfristige Zielperspektive die politische Beteiligung in einem inklusiven Umfeld. Das Ziel bei der Beförderung von politischer Partizipation sollte es somit sein, künftig eine diverse Politiklandschaft zu haben, in der sich ganz selbstverständlich auch Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen bewegen. Interessenvertretungen wie Behindertenbeuaftragte können somit Brücken bilden zu einer inklusiven Politiklandschaft.

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Geht es bei politischer Partizipation von Menschen mit Behinderungen immer nur um bauliche Barrierefreiheit?
Nein, absolut nicht. Auch wenn es oft aufgrund von Unwissenheit auf dieses Thema reduziert wird. Bauliche Barrierefreiheit ist nur ein Teilaspekt im behindertenpolitischen Themenfeld. Da Inklusion ein Querschnittsthema ist und damit alle Lebensbereiche berührt, können auch alle Bereiche aus der behindertenpolitischen Perspektive betrachtet werden. Arbeit, Familienplanung, Freizeit und Kultur oder auch der Abbau von Stereotypen und Vorurteilen sind alles Beispiele für Themen, die behindertenpolitische Relevanz besitzen.

Sind politisch aktive Menschen mit Behinderung immer automatisch Interessenvertreter*innen?
Politisch aktive Menschen mit Behinderungen werden schnell allein auf ihre Behinderung und ihre Perspektive als Mensch mit Behinderung reduziert. Von ihnen wird automatisch erwartet, dass sie das Querschnittsthema „Barrierefreiheit“ bedienen und stets als Vertreter*innen agieren. Ebenso wie bei Menschen ohne Behinderungen die Interessen und Fachkenntnisse verschieden sind, ist dies natürlich auch bei Menschen mit Behinderungen der Fall. Hinzu kommt: Menschen mit Behinderungen sind für ihre Art der Behinderung besonders sensibilisiert. Da Behinderungen jedoch sehr vielfältig sind, kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass durch die politische Arbeit einer Person mit Behinderung automatisch alle möglichen behindertenpolitischen Perspektive bedient sind und alle Menschen mit Behinderung ausreichend vertreten und ihre Bedarfe bedacht werden.
