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Bewerbung jetzt möglich: große Chance für NRW-Kreise

Tag Archive: Behinderung

  1. Bewerbung jetzt möglich: große Chance für NRW-Kreise

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    Unser Projekt “In Zukunft inklusiv.” ist im Mai gestartet. Mit ihm bekommen drei NRW-Kreise die Möglichkeit auf eine knapp dreijährige Prozessbegleitung zur Schaffung von nachhaltigen und wirksamen politischen Teilhabestrukturen für Menschen mit Behinderungen. Bis zum 31. August 2022 können sich Kreise bewerben. Vorrangig berücksichtig werden Kreise ohne politische Interessenvertretung (auf Kreisebene) und ohne Kreisbehindertenbeauftragte*n. Alle Infos gibt es auf der Projektseite: www.in-zukunft-inklusiv.de

    „Die Kreise haben eine wichtige und besondere Rolle bei der Entwicklung von effektiven und flächendeckenden partizipativen Strukturen für Menschen mit Behinderungen. Sie verbinden die angehörigen Gemeinden miteinander und können von ihrer Position aus gut koordinieren und vernetzen. Wenn dies gelingt, können Synergien genutzt, gemeinschaftlich Wissen generiert und tragfähige Lösungen entwickelt werden“, sagt Projektleiterin Merle Schmidt und ergänzt: „Die  Umsetzung stellt grundsätzlich eine große Herausforderung dar.“

    Projekt unterstützt Kreise dabei, die eigene Rolle und damit verbundene Aufgaben zu definieren

    An dieser Stelle setzt das Projekt „In Zukunft inklusiv.“ an. Es unterstützt die Kreise dabei, ihre Rolle in Bezug auf die Wahrung der Belange der Menschen mit Behinderungen zu definieren, um vor Ort eine passgenaue und nachhaltige Teilhabestruktur in der Kommunalpolitik zu schaffen.

    Paket an Qualifizierungsangeboten und individueller Prozessbegleitung

    Drei Jahre lang steht das Projektteam den Kreisen zur Seite. Schulungen, unterschiedliche Austausch- und Veranstaltungsformate sowie eine direkte und qualifizierte Beratung schaffen sowohl die notwendige inhaltliche Grundlage, wie auch die Möglichkeit, ein aktives Netzwerk vor Ort auf- und auszubauen. Damit erhalten die Kreise die Chance, sich einerseits rechtssicher und damit im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention aufzustellen. Sie schaffen aber auch mit besseren Teilhabe-strukturen die Möglichkeit für die Menschen vor Ort, den eigenen Wohnort mitzugestalten und so einen positiven Bezug herzustellen. „Ein inklusives Gemeinwesen macht Wohnorte attraktiv und zukunftsfest. Die Lebensqualität wächst für alle“, so Merle Schmidt.

    Vorrangig berücksichtigt werden Kreise, die weder eine politische Interessenvertretung auf Kreisebene noch eine Stelle für eine*n Kreisbehindertenbeauftragte*n aufweisen. Mehr Informationen zum Projekt und zur Bewerbung finden Sie unter: www.in-zukunft-inklusiv.de

     

    Das Projekt „In Zukunft inklusiv.“ wird finanziert vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.

     

  2. Mit Geduld und Standfestigkeit Richtung Inklusion im Hochsauerlandkreis

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen von #DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Arnsberg geführt.

    Mit Beginn dieses Jahres übernahm Ferdi Lenze die Funktion des ehrenamtlichen Beauftragten zur Wahrnehmung der Interessen von behinderten Menschen im Hochsauerlandkreis. Zuvor war er unter anderem Sprecher der Katholischen Behindertenhilfe im Kreis sowie 19 Jahre Vorsitzender des Kreis-Gesundheits- und Sozialausschusses. Diesem Gremium gehört er fortan als beratendes Mitglied an, ebenso wie der Kommunalen Konferenz „Gesundheit, Alter und Pflege“. #DeinRatZählt sprach mit ihm über sein großes Ziel, die kleinen Schritte dorthin und die Vorteile des Alters.

    Herr Lenze, wir verraten kein Geheimnis: Sie sind 70 Jahre alt. In diesem Alter lassen es die Menschen normalerweise ruhig angehen und genießen ihre Zeit. Warum übernehmen Sie jetzt noch einmal ein solch wichtiges Ehrenamt?

    Ferdi Lenze: Wer sagt denn, dass ich meine Zeit nicht genieße? Aber für mich gehören dazu eben nicht nur Urlaubsreisen oder Gartenarbeit. Ich habe mich immer politisch und sozial engagiert. Die meiste Zeit hier im Hochsauerlandkreis. Es ist ein Teil meines Lebens, mich für andere zu engagieren und die Gesellschaft mitzugestalten. Das hält mich in der Balance.

    Ihr jetziger Stellvertreter und langjähriger Vorgänger Heinz Arenhövel ist noch ein paar Jahre älter als Sie. Gibt es keine Jüngeren, die die Interessen von Menschen mit Behinderungen im Kreis wahrnehmen können?

    Oh doch, die gibt es in unserer Behinderten-Interessen-Vertretung (BIV) und die engagieren sich auch, wie, wo und wann sie können. Wir Älteren haben neben den notwendigen Erfahrungen einen entscheidenden Vorteil. Das ist Zeit. Wir sind ja ehrenamtlich tätig. Die Jüngeren stehen in ihrem Leben meist an anderen Stellen im Leben. Ausbildung, Studium, Familie, Berufstätigkeit. Da wird es mit der Übernahme von Ehrenämtern schwierig. Mein Terminkalender für die neue Aufgabe ist gut gefüllt. Wir haben hier im Hochsauerlandkreis ein eng geknüpftes und gut funktionierendes Netzwerk von Personen und Strukturen für die Belange von Menschen mit Behinderung. Viele Termine mit kommunalen Entscheidern laufen tagsüber. Aber grundsätzlich haben Sie recht: Mit Blick in die Zukunft brauchen wir viele engagierte junge Menschen. Da bin ich zuversichtlich, dass wir das in unserem Kreis künftig hinkriegen.

    Was steht denn auf der Agenda des neuen Behindertenbeauftragten?

    Ich will und werde dort anknüpfen, wo wir hier im HSK aktuell stehen. Zurzeit wird der Inklusionsplan überarbeitet. Daran mitzuwirken ist eine große Aufgabe und Herausforderung. Des Weiteren werden wir sehr oft angesprochen, wenn es um baurechtliche Fragen, wenn es um Barrierefreiheit im öffentlichen Raum geht.

    Ihre Vision?

    Ich hab’s nicht so mit den großen Plänen, sondern bin eher Pragmatiker. Was ist notwendig, was kann umgesetzt werden? Was geht finanziell? Es sind die vielen kleinen Schritte, die zu Veränderungen führen. Barrierefreiheit ist nicht nur der abgesenkte Bordstein. Dazu gehört auch zum Beispiel die Barrierefreiheit im Internet. Texte müssen in einer verständlichen Sprache geschrieben sein, damit alle diese lesen und verstehen können. Inklusion entsteht aber nicht durch Verordnungen, sondern in den Köpfen und Herzen der Menschen. Ich möchte möglichst viele Menschen mit auf diesen Weg nehmen und für Inklusion sensibilisieren. Dazu gehören die Verwaltungen in unseren Städten und Gemeinden, die Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Kirchen. Nur gemeinsam können wir etwas verändern.

    Welche Charaktereigenschaften braucht ein ehrenamtlich tätiger Behindertenbeauftragter?

    Das Amt hat lediglich eine beratende Funktion. Ich kann also nichts anordnen und anweisen. Ich muss überzeugen, nicht überreden. Dazu braucht es Geduld, aber auch Hartnäckigkeit, Standfestigkeit in der Argumentation und ab und an auch den notwendigen Biss. Das habe ich über viele Jahre gelernt.

     

    Logo DeinRatzählt. Es steht geschrieben: DeinRatzählt-Infos:Arbeitsbeschreibung des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Hochsauerlandkreis: Bestandsaufnahme der Hilfsangebote für Menschen mit Behinderungen Ermittlung von Bedürfnissen und Erwartungen von Menschen mit Behinderungen Erfassen der Situation in den Einrichtungen im Hochsauerlandkreis Informationen über behinderten-relevante Fragestellungen sammeln Vertretung bei allen behinderten-relevanten öffentlichen Terminen Weiterleitung von Anfragen, Anregungen und Beschwerden an die zuständigen Stellen Teilnahme an Sitzungen des Ausschusses "Gesundheit und Soziales" und der Kommunalen Konferenz "Gesundheit, Alter und Pflege" Regelmäßige Gespräche zu aktuellen Inklusions-Fragen mit der Verwaltung des Hochsauerlandkreises. Quelle: Internetseite des Hochsauerlandkreises.

     

  3. „Nicht über Inklusion reden, sondern Inklusion leben!“

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Münster geführt.

    „Wenn ich das Wort ‚Ehrenamt‘ mal wörtlich nehme, dann ist es eine Ehre dieses Amt auszuüben. Und das ist es auch für mich, weil ich sehr viel von den Menschen zurückbekomme“, sagt Marion Schmelter, die sich seit sieben Jahren als Inklusionsbeauftragte der Stadt Ennigerloh engagiert und nun ihr Amt aus Altersgründen aufgibt.

    Wie sind Sie zu ihrem Ehrenamt gekommen?

    Ich habe damals mitbekommen, dass die Stadt Ennigerloh jemanden suchte, der sich für die Menschen mit Behinderungen bei uns im Ort einsetzt. Ich habe mich dafür beworben, denn Inklusion liegt mir am Herzen. Es war und ist eine ehrenamtliche Aufgabe. In vielen Städten und Gemeinden wird für diese Aufgabe leider kein Geld zur Verfügung gestellt und so ist Inklusion oft nur über das Ehrenamt umzusetzen. Für mich war die Aufgabe in Ennigerloh als Ehrenamt in Ordnung.  Ich wünsche mir aber, dass Inklusion als bezahlte Stelle in jeder Stadt und Gemeinde eingerichtet wird.

    Welche Voraussetzungen waren für ihr Ehrenamt wichtig?

    Die Stadt hat eine Satzung entwickelt, welche die Aufgaben der/des Inklusionsbeauftragten festlegt. Diese Satzung legt beispielsweise fest, dass alle Abteilungen der Stadtverwaltung mir zuarbeiten. Zudem ist dort festgeschrieben, dass ich an drei Ausschüssen, dem Bäder/Eigenbetriebe-, Stadtplanungs- und Sozialausschuss teilnehme. In diesen Ausschüssen habe ich ein Melderecht, aber kein Stimmrecht. Ich finde die Satzung ist eine wichtige Voraussetzung für mein Ehrenamt gewesen, da ich so in keine politischen Konflikte geraten bin und meine Aufgaben und Rechte transparent für alle sind.

    So ist es eine Aufgabe des/der Inklusionsbeauftragten, den Arbeitskreis Inklusion der Stadt, in dem Vertreter der Parteien, Vereinen, Institutionen und natürlich Menschen mit Behinderungen sind, zu leiten. Getreu dem Motto: „Nicht über uns, sondern mit uns!“

    Wie haben sie den Kontakt mit den Bürger*innen gehalten?

    Ich habe einmal monatlich eine Bürgersprechstunde im Rathaus angeboten, die sehr gut angenommen wurde. Verschiedenste Menschen aus Ennigerloh kamen zu den Sprechstunden und berichteten mir von ihren Anliegen. Diese waren ein bunter Mix, sodass es nie langweilig wurde. So unterstützte ich einige Bürger*innen beispielsweise bei der Beantragung des Schwerbehindertenausweises, für Andere regelte ich Probleme mit den Krankenkassen, Behörden und weiteren Stellen. Aber ich war auch eine Art „Kummerkasten“ für manche Menschen, für die es sehr wichtig war, dass mal jemand zuhört. Hinweise zu nicht barrierefreien Gehwegen oder Bushaltestellen und viele andere Anliegen nahm ich sehr ernst und versuchte Lösungen zu finden. Darüber sprach ich dann mit den verschiedensten Stellen, wie mit dem Ordnungsamt, Institutionen oder Politikern. Aber auch mit E-Mails und telefonisch konnten die Bürger*innen mit mir Kontakt aufnehmen.

    Was hat Sie dazu motiviert, immer weiter zu machen?

    Die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Menschen war für mich eine große Bereicherung. Das Thema Inklusion wurde von den Politiker*innen und der Stadtverwaltung sehr ernst genommen, das hat mich immer wieder motiviert in den letzten sieben Jahren. Viele Aktionen und Veranstaltungen, die ich organisiert habe, haben gezeigt wie „einfach“ Inklusion zu leben ist und dass sie ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft ist.

    Was bleibt ihnen am meisten in Erinnerung?

    Zusammen mit Schüler*innen der Gesamtschule hier vor Ort haben wir über 50 Geschäfte in Ennigerloh auf die Barrierefreiheit überprüft. Dabei haben die Schüler*innen gemeinsam mit einigen rollstuhlfahrenden Bewohner*innen des St. Marien am Voßbach, einer Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderungen in Ennigerloh, die Geschäftslokale besucht und auf Barrierefreiheit geprüft. Die Geschäfte haben dann eine Auszeichnung bekommen oder die Prüfgruppe gab Verbesserungsvorschläge. So fehlte in einer Bankfiliale hier im Ort zum Beispiel nur eine Klingel für Rollstuhlfahrer*innen. In einigen Supermärkten in Ennigerloh gibt es nun Einkaufswagen für Rollstuhlfahrer. Diesen Einkaufswagen sollte es in jedem Geschäft geben!

    Einkaufwagen für Rollstuhlfahrer in Ennigerloh

    Was haben Sie während ihres Ehrenamts gelernt?

    Ich habe gelernt wie wichtig Öffentlichkeitsarbeit ist. Inklusion darf und kann nicht im Versteckten stattfinden! Es ist wichtig viele Menschen aus unterschiedlichen Bereichen miteinzubeziehen, so entsteht ein tolles Miteinander und Veränderungen sind nachhaltig.

    Würden sie Anderen ein Ehrenamt empfehlen?

    Auf alle Fälle. Man bekommt so viel von den Menschen zurück. Diese sieben Jahre haben mein Leben deutlich bereichert. Ich glaube Ehrenamtliche nehmen eine sehr wichtige Rolle in unserer Gesellschaft ein. Mit ihrem Engagement und ihrer Begeisterung für ein Thema können Sie andere begeistern und Veränderungen anstoßen.

     

    Wir bedanken uns bei Marion Schmelter und wünschen Ihr für die Zukunft alles Gute!

    Text: Dein Rat zählt auf Instagram. Abgebildet ist zudem das Instagram Logo mit einem Kamera-Icon.

  4. “Jede Meinung und jede Kompetenz sind wichtig und jeder kann etwas Hilfreiches beitragen”

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Detmold geführt.

    Michael Biesewinkel lebt seit 32 Jahren in seiner Heimatstadt, der Stadt Lübbecke in Nordrhein-Westfalen. Er ist Sozialarbeiter, Diakon und seit seiner Geburt Tetraspastiker. Er hat uns von seinen Erfahrungen als Behindertenbeauftragter und als Vorsitzender des Behindertenbeirats der Stadt Lübbecke berichtet.

    Warum und seit wann engagieren Sie sich persönlich?

    Ich bin seit 2009 kommunalpolitisch aktiv und war einige Jahre ehrenamtlich Behindertenbeauftragter der Stadt Lübbecke. Mittlerweile bin ich Vorsitzender des örtlichen Behindertenbeirats. Ich bin als Frühchen zur Welt gekommen und habe aufgrund eines Sauerstoffmangels eine beinbetonte Tetraspastik. Geistig bin ich komplett fit und habe früh gemerkt, dass wir uns als Menschen mit verschiedensten Einschränkungen in die Gesellschaft einbringen müssen, sollten und können. Gerade dann, wenn wir nicht wollen das wir in Schubladen gesteckt werden und über uns entschieden wird.

    Ich finde zwar, dass die UN-BRK, die Bemühungen der Selbsthilfeorganisationen und mehr ihre Wirkung haben und die selbstverständliche Teilhabe und Partizipation sich in vielen Lebensbereichen verbessert hat, aber je nach regionalen Gegebenheiten ist manchmal noch viel Luft nach oben.

    Nichtsdestotrotz: Ich verdanke dem Einsatz meiner Eltern, dass ich zu einer regulären Grundschule gehen durfte und hätte anschließend auf eine Schule für Körperbehinderte gehen sollen. Dass ich stattdessen das Gymnasium besuchen durfte, mein Abitur gemacht und nach einer Ausbildung studiert habe, ist heute zumindest in größeren Teilbereichen selbstverständlicher möglich als früher. Das ist gut so und muss sich weiterentwickeln.

    Nicht alle Menschen können sich aufgrund ihrer Einschränkungen selbst umfassend einbringen. Für diese Menschen sollten die Menschen mit weitreichenderen Fähigkeiten Sprachrohr und „Interessensanwalt“ sein. Ich bin das gerne und möchte es noch viele Jahre sein. Dabei habe ich immer das Ziel, die Menschen mit größerem Förderbedarf bestmöglich selbst partizipieren zu lassen.

    Welche Beteiligungsmöglichkeiten gibt es in ihrer Kommune in Bezug auf die politische Partizipation von Menschen mit Behinderung?

    Zum einen gibt es die Möglichkeit sich in Selbsthilfegruppen zu engagieren und für die Belange der jeweiligen Zielgruppe einzutreten. Das geht seit vielen Jahren. Gleiches gilt für die Beteiligung über eine Partei oder Wählergruppierung. Den Behindertenbeirat als weitere Beteiligungsmöglichkeit gibt es auf örtlicher Ebene in Lübbecke sei 2018.

    Welche Themen werden dort schwerpunktmäßig bearbeitet?

    Im Behindertenbeirat der Stadt Lübbecke befassen wir uns hauptsächlich mit Themen der Barrierefreiheit. Städtisch berührt vieles das Bauamt. Sei es vollständig barrierefreie Zugänge oder Rampenanlagen oder aber auch die barrierefreie Ausgestaltung des neu bei uns in der Planung befindlichen ZOB´s.

    Ein großes Thema ist bei uns aber auch die leichte oder aber auch zumindest einfache Sprache. Hier versuchen wir die Kommunalpolitik und die Stadtverwaltung zu sensibilisieren, dass die Nutzung dieser bei Sitzungen oder bei der Abfassung bestimmter Unterlagen kein hochtrabender Wunsch ist, sondern für manche Menschen unabdingbar nötig, um uneingeschränkt teilhaben zu können. Da sind noch dicke Bretter zu bohren.

    Gibt es Erlebnisse, die Sie besonders motiviert haben? Und gibt es auch welche, die Sie vielleicht demotiviert/geärgert haben?

    Bisher haben die Kommunalpolitik und Teile der Stadtverwaltung den Mehrwert eines Behindertenbeirats und das Eintreten für selbstverständliche Teilhabe und Selbstbestimmung noch nicht erkannt. Nur durch solche und andere Gremien und Organe der Selbstvertretung ist dem Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ ja auch ganz praktisch entsprochen. Bisher wurden in der gesamten Amtszeit nahezu alle Anliegen und Anregungen auf Ablehnung geprüft. Das zeigt, dass der Beirat nach der Neuwahl nach der Kommunalwahl weiter am Ball bleiben muss. Motivieren tut der Zuspruch der Interessensgruppen, welche wir vertreten. Dieser zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

    Wie zugänglich/barrierefrei ist bei Ihnen die Arbeit in der Kommunalpolitik und speziell in Ihrem Beirat?

    Wenn leichte oder zumindest einfache Sprache selbstverständlicher wäre, dann wäre die Beiratsarbeit für einige der Beiratsmitglieder leichter zu bewerkstelligen und sie könnten sich besser einbringen.

    In den Sitzungen des Beirats haben einige der Mitglieder Assistenzen. Diese Assistenzen müssten ihre Personen engmaschiger begleiten. Sie müssten z.B. schon vor der Sitzung persönlich klären, ob sie etwas in der Beiratssitzung ansprechen möchten. Da es aber keine Finanzierung für so eine umfassende Assistenz gibt, gibt es keine optimale Vor- oder Nachbereitung für diese Mitglieder. Bei Interesse und Einigkeit aller Beteiligten könnte man hier bessere Lösungen schaffen und die zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen entsprechend anpassen.

    Wenn Sie jetzt 3 Wünsche frei hätten, was würden Sie sich in Bezug auf ihre Kommune wünschen?

    Ein selbstverständlicheres Interesse an Themen und Entscheidungen rund um das Thema Inklusion und Behinderung in all seinen Facetten der Entscheidungsträger.

    Eine bessere Zusammenarbeit des Behindertenbeirats mit der Stadtverwaltung und der Kommunalpolitik. Insbesondere auf Augenhöhe. Im Moment prüfen die Entscheidungsträger vieles automatisch auf Ablehnung.

    Was könnte helfen, neue Aktive zu gewinnen? Und was würden sie interessierten Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, die sich gerne in der Kommunalpolitik engagieren möchten, empfehlen?

    Wenn das Gefühl entstehen würde, dass kommunalpolitische Teilhabe und Interessenbekundung seitens der Entscheidungsträger gewünscht und in der heutigen Zeit selbstverständlich wären, dann würde das sicher mehr Menschen motivieren aktiv zu werden.

    Es müsste ein selbstverständliches Interesse an den Themen rund um Behinderung und Teilhabe geben, sodass die Gremien und Aktiven als Bereicherung verstanden würden.

    Menschen mit Behinderungen kann ich nur raten sich trotzdem einzubringen. Jede Meinung und jede Kompetenz sind wichtig und jeder kann etwas Hilfreiches beitragen. Nur so können Teilhabe, Selbstbestimmung und Inklusion auf allen Ebenen selbstverständlich werden.

    Text: Dein Rat zählt auf Instagram. Abgebildet ist zudem das Instagram Logo mit einem Kamera-Icon.

    Es steht geschrieben: #DeinRatzaehlt auf Instagram

  5. „Alleine kann man nicht Politik machen” – Wolfgang Wessels über sich und seine Arbeit im Beirat für Menschen mit Behinderungen der Stadt Düsseldorf

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Düsseldorf geführt.

     

    Wolfgang Wessels, Sozialpädagoge und Erziehungswissenschaftler, ist seit etwa 50 Jahren im sozialen Bereich tätig. Unter anderem war er Geschäftsführer des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung NRW. Seit zehn Jahren engagiert sich der 68-Jährige als stellvertretender Vorsitzender im Beirat für Menschen mit Behinderungen der Stadt Düsseldorf. In diesem Jahr beendet er seine Tätigkeit im Beirat.

    Foto Wolfgang Wessels

    Das KSL Düsseldorf sprach mit ihm über erfolgreiche Jahre, aktuelle Herausforderungen und mögliche Konzepte für die Zukunft.

    Herr Wessels, wie sind Sie dazu gekommen, sich im Behindertenbeirat Düsseldorf zu engagieren?

    Das waren persönliche Begegnungen und Belange. Frau Kroker-Christmann, die damalige – inzwischen verstorbene – Vorsitzende, suchte aufgrund der damaligen Satzung einen stellvertretenden Vorsitzenden, der den Mut hatte, das Amt zu übernehmen. Und das habe ich dann auch getan.

    Was ist Ihre Motivation, dass sich schon so lange im Behindertenbeirat zu engagieren?

    Ich stehe schon lange zu dem Thema der politischen Vertretung von Menschen mit Behinderungen. Mir ist es sehr wichtig, dass es zu einem gemeinschaftlichen Auftreten von Menschen mit Behinderungen kommt und dass wir eine Stimme finden.

    Haben die Anliegen des Beirates in Düsseldorf in den letzten Jahren denn Gehör gefunden?

    Wir haben acht Jahre eine gute Politik gemacht. Wir haben die Verwaltung mit eigenen Anträgen bombardiert. Beispielsweise haben wir Anfragen gestellt, warum die Inklusion in der Schule xy hakelt. Mir ist aufgefallen, dass dies ungewöhnlich ist. Ich bin nämlich noch Mitglied im Inklusionsbeirat der Stadt Bochum, weil ich ja in Bochum arbeite. Und da habe ich zum ersten Mal einen Antrag gestellt. Die ganze Verwaltung war völlig irritiert, dass von einem Mitglied eines Beirates überhaupt ein Antrag gestellt wurde.

    Wurde schon Vieles, was der Beirat angeregt hat, umgesetzt?

    Es ist gut gelaufen. In Düsseldorf hat der Beirat sogenannte Runde Tische, das sind Untergruppen. Nur als ein Beispiel. Wir sind sehr aktiv. Das ist gut.

    Ein weiteres Beispiel: Die U-Bahn-Haltestelle Nordstraße in Düsseldorf hatte keinen Aufzug. Es sollte ein Aufzug gebaut werden, aber sehr verwinkelt, über mehrere verschiedene Systeme, also verschiedene Aufzüge nebeneinander. Wir wollten das nicht. Wir wollten einen durchgehenden Aufzug haben. Das hätte bedeutet, das damals Parkplätze weggefallen wären. Das ist natürlich in Düsseldorf ein hohes Gut – und dann noch vor einem Drogeriemarkt. Und der Beirat hat durch seine Verweigerung seiner Genehmigung dieser Lösung von verschiedenen Aufzügen durchsetzen können, dass ein durchgehender Aufzug gebaut wurde. Unter Verlust von Parkplätzen.

    Ich denke, man hat viel erreicht, in den Zeiten, wo man wirklich aktiv war, mit entsprechender Fortune. Zum Beispiel im schulischen Bereich oder beim Thema Barrierefreiheit. Wir haben auch viel zum Thema Schwerhörigkeit gearbeitet, was ein seltenes Thema ist. Kulturelle Teilhabe war immer wieder ein Thema.

    Gab es auch einen großen Misserfolg? Oder gab es mal ein Projekt, wo Sie völlig gescheitert sind?

    Deswegen höre ich jetzt auf. Es sind zwei Dinge, die jetzt aktuell gescheitert sind.

    Erstens: Wir haben eine Satzung mit einer starken Dominanz der Verbände. Die Satzung ist so angelegt, dass bestimmte Verbände die Besetzung unter sich auskungeln. Da gibt es Defizite. Wir haben die Satzung nicht einhellig, einstimmig verabschieden können.

    Zweitens: Nach dem Tod von Frau Kroker-Christmann hat es den Versuch gegeben, die Arbeitsgemeinschaft – so gesehen den Zusammenschluss von Menschen mit Behinderungen – neu zu definieren. Und das hat die Stadt Düsseldorf abgelehnt.

    Die kommunikativen Einschränkungen haben Sie gerade schon angesprochen: Wie zugänglich, wie barrierefrei ist die Arbeit grundsätzlich in Ihrem Beirat?

    Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten haben während der Sitzungen eine Assistenz. Wir haben natürlich in jeder Sitzung, auch in den Vorbereitungssitzungen, immer Gebärdensprachdolmetscher*innen dabei. Das was wir tun können, machen wir. Und trotzdem bleiben große Probleme. Versuchen Sie mal in einer Gebärdensprache die Nuancen in einer politischen Strategie zu erklären. Da kommt man an seine Grenzen.

    Und wie ist das mit der räumlichen Barrierefreiheit, zum Beispiel im Rathaus? Kann jeder, egal welche Einschränkung er hat, auch zu Ihnen kommen? Oder gibt es da noch Barrieren?

    Wir tagen immer in einem Saal, der über eine Induktionsschleife verfügt. Es gibt auch einen Aufzug und Stufenmarkierungen. Es ist schon recht optimal, wo wir uns treffen. Schwierig ist immer die Situation, dass wir in Mikrofone sprechen müssen, damit die Induktion funktioniert. Das schafft wiederum eine sehr förmliche Situation. Menschen mit psychischen Erkrankungen können diese Situation nur schwer aushalten.

    Wir erinnern vor jeder Sitzung daran, dass laut und deutlich gesprochen wird. Alle nennen ihren Namen, damit beispielsweise Menschen mit Sehbehinderungen die Beteiligten verorten können. Da geben wir uns schon recht Mühe.

    Wie schätzen Sie die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich ein?

    Politische Teilhabe ist ja ein Thema für sich. Und es ist ein Thema was in der Lebenswelt von Menschen mit Behinderungen gar nicht so eine große Rolle spielt. Leider. Und das macht die Arbeit schon sehr schwierig. Wir würden uns daher freuen, wenn junge Menschen sich für die Arbeit im Behindertenbeirat interessieren und sich – vielleicht auch temporär – für eine Sache einsetzen würden, zum Beispiel für die schulische Inklusion.

    Was denken Sie, was könnte helfen, um neue Aktive zu gewinnen?

    Sozialraumorientierte Ansätze. Ich habe ein Konzept geschrieben mit dem Schwerpunkt Themenforen zu entwickeln. Vielleicht auch quartiersbezogene Themenforen, um dann in diesen Netzwerken über bestimmte behindertenspezifische Themen zu reden und dort zu Meinungsbildung zu kommen. Das ist in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Altenhilfe und besonders in der Jugendhilfe Gang und Gäbe. In der Behindertenhilfe ist diese eigentlich moderne Form der Steuerung und Arbeit weitgehend unbekannt.

    Das ist ein Anliegen von mir. Dass neben den traditionellen Verbändestrukturen temporäre Netzwerke, auf jeden Fall sozialraumorientierte Netzwerke aufgebaut werden, in denen Steuerung von Behindertenhilfe stattfindet. Vielleicht dann auch quartiersbezogen, also kleinräumiger gearbeitet wird.

    Es gibt noch einen zweiten Ansatz, den ich verfechte, mit dem ich aber auch ziemlich alleine bin. Ich glaube, dass die Beratung behinderter Menschen und Politik sehr eng beieinander gehören. Das heißt, im Grunde gehört das Thema der politischen Vertretung auch in die Beratungsstellen hinein. Oder die politische Vertretung muss mit den Beratungsstellen enger kooperieren.

    Was würden Sie generell Menschen mit Behinderungen empfehlen, die sich gerne in der Kommunalpolitik engagieren möchten?

    Alleine kann man nicht Politik machen. Ich muss mir überlegen, was ich will. Will ich mich engagieren, muss ich andere Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die mir gut zugewandt sind, gewinnen. Ich kann auch versuchen, in den politischen Gremien entsprechende Plätze zu bekommen.

    Ich kann mich auch parteipolitisch engagieren. Wir haben in der Parteipolitik viele behinderte Menschen, was ich gut nachvollziehen kann. Die Parteien sind – das rechte Spektrum ausgenommen – auch offen gegenüber behinderten Menschen, so dass man sich dort engagieren kann. Oder sollte sogar, nicht kann. Man sollte es tun.

    Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Beirats in Düsseldorf?

    Es gibt einen Punkt, in dem ich mit der Stadt und einigen Vertreter*innen behinderter Menschen nicht übereingekommen bin. Politik, wenn sie erfolgreich werden soll, ist so kompliziert und so aufwendig, dass wir das allein im reinen Ehrenamt nicht schaffen. Das heißt, jedes politische Handeln braucht einen gewissen Background von Institutionalisierung. Das ist in der großen Politik die Partei. Das ist in der Behindertenpolitik der Zusammenschluss der Menschen mit Behinderungen.

    Es müssen semi-professionelle Strukturen möglich sein. Eine völlig entprofessionalisierte Struktur behinderter Menschen steht einer hoch professionalisierten Struktur einer modernen Verwaltung einer so großen Stadt wie Düsseldorf gegenüber. Leider.

     

    Hier erfahren Sie mehr über den Behindertenrat Düsseldorf!

    Kontakt zum Beirat für Menschen mit Behinderung Düsseldorf:

    Tel.: 0211-8991

    E-Mail: behindertenkoordination@duesseldorf.de

  6. Hart, aber fair – Wolfgang Bennewitz über sich und seine Arbeit im Behindertenbeirat der Stadt Lünen

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Arnsberg geführt.

     

    Hart, aber fair – Das ist nicht nur der Titel einer bekannten streitbaren ARD-Talkrunde, sondern auch das Lebensmotto von Wolfgang Bennewitz. Er ist Vorsitzender des Beirats für Menschen mit Behinderungen der Stadt Lünen und hat so manche privaten und beruflichen Höhen und Tiefen erlebt.

    Im Gespräch erzählt er uns, warum er sich mit Leib und Seele für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in seiner Heimatstadt einsetzt: „Ich möchte nicht mehr über Barrierefreiheit diskutieren müssen. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Anliegen von Menschen mit Behinderungen in kommunale Prozesse einbezogen werden.“ In Lünen sei man auf einem guten Weg, vieles sei erreicht worden.  Der Behindertenbeirat habe mittlerweile ein „gutes Ohr“ in der Verwaltung. „Wir werden gehört“, sagt Bennewitz. „Unser Wissen, unsere Kompetenz und Erfahrung als Expert*innen in eigener Sache wird anerkannt und geschätzt.“ Das war aber wohl nicht immer so. Wolfgang Bennewitz: „Es gibt die UN-BRK (die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen), aber mit einem Muss kommt man in einer Verwaltung mitunter nicht weit.“ Man hat viel Überzeugungsarbeit geleistet.

    Foto Wolfgang Benewitz

    Rückblende: „Der Herzinfarkt hat mein Leben gänzlich verändert!“

    Ein 16-Stunden-Arbeitstag war für Wolfgang Bennewitz völlig normal. Arbeit stand im Mittelpunkt seines Lebens, auch an Wochenenden und im Urlaub. Er war Manager bei T Systems, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom, steuerte große IT-Projekte für namhafte, große Firmen. Er war viel unterwegs in Deutschland, lebte aus dem Koffer und in Hotelzimmern. „Ich war ein Workaholic“, blickt er heute zurück.

    Dann kam der Januar 2011. Wolfgang Bennewitz war mit seiner Frau im Urlaub („Den musste ich nehmen!“), als ihn ein Herzinfarkt traf. „Das hat mein Leben gänzlich verändert“, sagt er. „Von über 100 auf unter 0. Nichts ging mehr.“ Nach Klinik und Reha hat er den Wiedereinstieg in seinen alten Beruf probiert – und ist gescheitert. Ende 2011 quittierte er seinen Job und ging in den Ruhestand. „Ich habe lange gebraucht, um aus dem tiefen Loch wieder herauszukommen“, sagt er. Geholfen dabei hat ihm das regelmäßige Training in einer Rehasport-Gemeinschaft. Körperlich, aber auch mental. Der alte Vorsitzende des Vereins wollte aufhören und Wolfgang Bennewitz stellte sich für das Amt zur Verfügung.

    „Auf der kommunalen Ebene kann man direkt einwirken.“

    So kam Wolfgang Bennewitz auch in den Behindertenbeirat. Denn in Lünen werden dessen Mitglieder von Vereinen/Selbsthilfegruppen aus dem Stadtgebiet ebenso wie aus der kommunalen Verwaltung und den im Stadtparlament vertretenen Parteien delegiert. „Ich engagiere mich dort, wo es nötig ist“, sagt er. Als seine Kinder klein waren, war er Schulpflegschaftssprecher. Im Behindertenbeirat übernahm er nach dem Tod des ehemaligen Vorsitzenden kurzfristig dessen Funktion und wurde im Mai 2017 in diesem Amt bestätigt.

    Sein Wunsch:  Es sollten sich viel mehr Menschen überhaupt und insbesondere Menschen mit Behinderungen für Ihre Belange engagieren. „Auf der kommunalen Ebene kann man direkt einwirken. Erfolge werden hautnah spürbar“, sagt er. Ein Beispiel: „Wir haben mit der Stadt einen Standard entwickelt, wie barrierefreie Spielplätze ausgestattet sein sollten. Dieser Standard liegt heute allen städtischen Ausschreibungen für die Neuanlage von Spielplätzen zugrunde.“ Darauf seien er und seine Mitstreiter*innen im Behindertenbeirat besonders stolz. Ein anderes Beispiel: Seit 2014 gibt es in Lünen das verbriefte Recht auf Inklusionsverträglichkeit, die die Verwaltung in jeder Ratsvorlage erläutern muss.

    Aus solchen Erfolgen zieht Wolfgang Bennewitz seine Motivation fürs Weitermachen, auch wenn es einmal nicht so gut läuft. Manchmal müsse man auch nickelig sein und nerven, stets aber nachhaken, dranbleiben. Denn: „Wir sind nicht der verlängerte Arm der Verwaltung“, unterstreicht Wolfgang Bennewitz. „Wir vertreten die Interessen von Menschen!“

     

    Weitere Informationen zum Behindertenbeirat Lünen gibt es hier

     

    Mehr Informationen zur Kampagne gibt es hier: www.deinratzaehlt.de

    Text: Dein Rat zählt auf Instagram. Abgebildet ist zudem das Instagram Logo mit einem Kamera-Icon.

  7. Katrin Langensiepen über ihren Weg ins Europaparlament: “Mach den Mund auf! Es wird niemand anderes für dich tun!”

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    Der Artikel erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom NetzwerkBüro Frauen und Mädchen mit Behinderung / chronischer Erkrankung verfasst.

    Katrin Langensiepen wurde im letzten Jahr als erste Frau mit sichtbarer Behinderung ins europäische Parlament gewählt. Die Kolleginnen vom NetzwerkBüro Frauen und Mädchen mit Behinderung / chronischer Erkrankung NRW waren gespannt und wollten mehr wissen über ihre politischen Themen und Ziele. Im Gespräch erzählte Frau Langensiepen auch, wie sie zur Politik kam: In einer scheinbar ausweglosen Situation entschied sie, sich politisch zu engagieren. Sie trat bei den Grünen ein und ging in die Kommunalpolitik.

    Foto Katrin Langensiepen

    Mein Kampf, nicht irgendwo versenkt zu werden

    “Das Thema ‚Menschen mit Behinderungen und Arbeit‘ hat mich in die Politik gebracht. Meine Arbeitslosigkeit, mein Kampf, nicht irgendwo versenkt zu werden, ließ mich politisch aktiv werden”, so fasst Katrin Langensiepen, die selbst mit einer seltenen Erbkrankheit lebt, ihren Weg in die Politik zusammen.

    Der Anfang war für die heutige Politikerin aber nicht immer so eindeutig:

    “Ich habe immer viel gemacht, aber immer überlegt: Was machst du beruflich? Immer diese Frage: Wer nimmt mich? Da waren Rückmeldungen wie: „Ja, ganz nett, aber…“ Und die Frage: Was kann man selbst auch leisten?

    Ich habe mich so vorangeschleppt, war dann krank und habe das Abitur nur zum Teil gemacht, nämlich nur das Fach-Abitur. Ich habe mein Studium krankheits-, aber auch frustrationsbedingt, abgebrochen.

    Ich habe überlegt: Was kann ich, was soll ich zuhause? So habe ich mir selbstständig etwas im Ausland gesucht und da auch gearbeitet. Nach China bin ich kostengünstig im Rahmen meiner schulischen Ausbildung gekommen. In Marseille war ich als Au-pair, um die Zeit zu überbrücken bis zur Sprachschule. Da war auch immer das Risiko: Wirst du akzeptiert? Schaffst du das oder knallst du damit voll gegen die Wand? Ich habe manchmal mit Bauchschmerzen im Flieger gesessen. Aber eigentlich hat es immer ganz gut funktioniert.

    Nach meiner Fremdsprachenausbildung dachte ich: Ich muss mir jetzt einen Job suchen. Passend zur Wirtschaftskrise.  Da ging es ja allen dreckig. Und du stehst da: Gut ausgebildet – so wie man das den jungen Leuten erzählt hat: Du musst ins Ausland. Du musst Praktika machen. Mach Erfahrungen, mach dieses und jenes und Bachelor und Master. Und wenn das alles ganz gut ist, kommt der Job automatisch.”

    “2009 standen wir da, ich und meine ganze Generation, und dachten: Oh Sch…. “

    Auch in der ersten Zeit nach der Ausbildung gab es viele Sackgassen für die Grünen-Politikerin, wie sie uns selbst erzählt hat:

    “Ich habe mich also im Jahr 2009 viel beworben und ging zu einer Zeitarbeit-Agentur. Die hat mir Telefon-Center-Jobs angeboten für 5 Euro die Stunde. Jede Woche einen neuen Schicht-Plan. Nach 14 Tagen hat mein Arzt mich krank geschrieben und gefragt: Was machen Sie eigentlich beruflich? Ich habe also 14 Tage im Telefon-Center gearbeitet und war dann 4 Wochen krank geschrieben. Danach habe ich gesagt: Ich mach gerne alles, nur keinen Job im Telefon-Center mehr.

    Und so stand ich wieder da und dachte: Und nun? Dann wurde mir gesagt. Sie können ja ins Ausland gehen. Aber da kam ich ja gerade her. Und wo sollte ich denn hingehen: Nach Spanien? Nach Irland? Wo sollte ich denn hin? Es war ja überall Krise.

    “Du musst dir jetzt hier was aufbauen!”

    Letztendlich hat die Politikerin dann für sich eine Entscheidung getroffen, die ihr Leben bis heute prägt:

    “Schließlich habe ich mir gesagt: Du musst dir jetzt hier was aufbauen. Durch eine Maßnahme vom Job-Center konnte ich mit viel Glück ein Praktikum beim Radio machen. Das war toll. Ich habe drei Monate beim Bürgerradio Beiträge geschrieben.

    Das war 2010. Als mir danach der X-te Telefon-Center-Job angeboten wurde, dachte ich: Du kannst etwas anderes als ein Headset gerade halten. Du musst selbstständig aktiv werden. Wenn es niemanden interessiert, was du machst, dann mach doch, was du willst.”

    In die Parteipolitik ist die Politikerin vor allem durch ihren Ärger gekommen. Die Kommunalpolitik war für Katrin Langensiepen dann der nächste logische Schritt:

    “Ich wollte ja nie einer Partei beitreten, aber dann kam noch Stuttgart 21, was mich geärgert hat. Dann bin ich an meinem Geburtstag, 2010, einer Partei beigetreten, den Grünen. Ein halbes Jahr später, im Jahr 2011, vor der Kommunalwahl hier in Niedersachsen, suchten die Grünen Leute. „Wir brauchen dich!“, postete der Ortsverband. Das hatte ich lange nicht gehört.

    Dort bin ich hin gegangen und habe gesagt: „Guten Tag, ich bin hier die Neue, und will etwas gestalten. Ich möchte irgendwie aktiv sein und würde gerne kandidieren. Und die Grünen haben mich genommen.”

    “Ich war die Frau, die so viele E-Mails verschickt hat: Zeit hatte ich ja!”

    Im Alltag der Politik musste Katrin erstmal viel selbst auf den Weg bringen: Emails schreiben und Leute zusammentrommeln, so beschreibt sie ihre Arbeit:

    “Im Jobcenter war man zufrieden, dass ich mich beschäftigt habe. Die waren froh, dass sie mich nicht vermitteln mussten. „Sie sind intelligent genug. Sehen Sie zu, dass Sie selber klarkommen“, habe ich einmal gehört, erzählt Katrin Langensiepen.

    Sozialpolitik war damals nicht so das Spielfeld der Grünen. Aber ich hatte ja viel Zeit. Ich habe morgens um 8 Uhr den PC angeworfen und mich vernetzt, gearbeitet, getwittert, gepostet, gemacht und getan. Deshalb kannten mich viele irgendwann. Ich hatte den arbeitenden Ehrenamtlern immer die viele Zeit voraus. Ich habe sicher 8-9 Stunden am Tag gerödelt. Ich war vor Ort aktiv, in den Landes-Arbeitsgemeinschaften und habe mich bekannt gemacht. Außerdem hatte ich ja einen Wiedererkennungswert.”

    “Mach den Mund auf! Es wird niemand anderes für dich tun!”

    Was Katrin immer wieder gelernt hat: Wenn es keine*r macht, mach es selbst. Eine Chance, die sie immer wieder nutzte:

    “Als ich herumgefragt habe, wie es mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechts-Konvention aussieht, empfahl mir jemand: Katrin, schreib doch mal Arbeitsgemeinschaften an und frag dort nach. Du kannst ja auch ein paar Leute zusammentrommeln. Das habe ich dann gemacht. Ich habe die sozialen Medien viel genutzt, habe viel gemailt und gefragt: Macht das jemand? Und wenn es keiner gemacht hat: habe ich es gemacht.

    Nachdem ich 2011 in den Rat der Stadt Hannover gewählt worden war, konnte ich kommunale Erfahrungen machen. Parallel war ich immer auch in der Partei aktiv. Wenn du Zeit hast und mobil bist, dann kannst du an den Wochenenden auf Kongresse fahren und du kannst Reden halten. Ich habe mir gesagt: Du musst jetzt hier mal ran. Das ist ein Schatz, Katrin, mach den Mund auf! Es wird niemand anders für dich tun. Und ich hatte ja auch keine Alternative. Was wäre die Alternative? Zuhause bleiben und RTL II schauen? Ich stand ja mit dem Rücken zur Wand! Für mich war das wirklich eine Flucht nach vorn, das Gefühl, du musst jetzt loslaufen, da hilft dir keiner! Ich bin losgelaufen, habe viel gearbeitet – und bin angekommen.”

    Katrin Langensiepen war von 2011 bis 2019 Mitglied im Rat der Stadt Hannover. Seit Mai 2019 ist sie Mitglied im Europäischen Parlament. Sie ist unter anderem Vize-Vorsitzende im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten mit Verantwortung für die Regionen Syrien und Subsahara-Afrika.

     

    Mehr Informationen zur Kampagne gibt es hier: www.deinratzaehlt.de

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  8. Netzwerk-Sprecherin Gertrud Servos: „Geht alle in die Politik!“

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    Der Artikel erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom NetzwerkBüro Frauen und Mädchen mit Behinderung / chronischer Erkrankung verfasst.

    Netzwerk-Sprecherin Gertrud Servos war schon als Mädchen politisch interessiert und ist seit über 50 Jahren politisch aktiv. So hat sie vor 25 Jahren zusammen mit anderen behinderten Frauen das heutige „Netzwerk für Mädchen und Frauen mit Behinderung und chronischer Erkrankung NRW“ gegründet. Sie ist zugleich immer auch kommunalpolitisch in der SPD aktiv. Gerade kandidiert sie für den Kreistag Rheinkreis-Neuss – das Wahlprogramm gibt es selbstverständlich auch in Leichter Sprache.

    Foto Getrud Servos

    „Ohne Geld geht halt nichts“ 

    „Ich habe immer versucht, in Ausschüssen zu sein, die wesentlich sind.“, sagt Gertrud Servos. Neben dem Ausschuss für Gesundheit und Soziales arbeitete sie deswegen lange Zeit mit in zwei zentralen Ausschüssen: dem Personalausschuss und dem Ausschuss für Finanzen. „Ohne Geld geht es halt nicht.“, so fasst sie ihre Erfahrungen als Behindertenaktivistin zusammen.

    Kommunalpolitik als Waffe gegen Diskriminierung

    In der Kommunalpolitik dreht es für Gertrud Servos immer wieder darum, sich gegen Diskriminierungen zu wehren. Sie baut Barrieren ab, damit andere Menschen mit Behinderungen leichter vorankommen und sich um andere Themen kümmern können. Der Kampf um Selbstverständlichkeiten kann dabei schon mal Jahrzehnte dauern: “Es hat 35 Jahre gedauert, bis eine barrierefreie Toilette auf der gleichen Ebene wie der Sitzungssaal gebaut wurde”, sagt Servos. Das Ende einer Odyssee durch mehrere Gebäude – für etwas, das Menschen ohne Behinderungen innerhalb von wenigen Minuten erledigen können.

    Bauliche Barrieren sind aber nicht ihre einzige Kampf-Arena. Andere Menschen hatten ihr gesagt, sie könnte nicht in die Politik, weil sie mit dem Rollstuhl keine Plakate kleben kann. Getruds Lösung: “Muss ich ja nicht selbst machen, ich kann mir ja gegen Bezahlung Hilfe holen.” Durch ihre Arbeit im Personalausschuss konnte sie dazu beitragen, dass andere Menschen mit Behinderungen nicht ausgeschlossen werden. Heute erfüllen alle Ämter in ihrer Stadt die 5% Quote, wenn es um die Neueinstellung von Menschen mit Behinderungen geht.

    Zu wenige Frauen in den Gremien

    Wenn es um die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen geht, geht die Aktivistin und Politikerin zwar leise, aber beharrlich vor, mit einer „charmanten Hartnäckigkeit“, sagte die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft über Getrud Servos.

    Ein Punkt sieht die Netzwerk-Sprecherin aber weiterhin besonders kritisch: Es gibt immer noch zu wenig Frauen in den Gremien der Kommunalpolitik. Die Politik spiegelt die Gesellschaft, in der wir leben, nicht wider.  „Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass unsere politischen Systeme offen für alle sind. Unabhängig von körperlichen Beeinträchtigungen, unabhängig von der Hautfarbe oder der geschlechtlichen Orientierung“, sagt Gertrud Servos und fügt voller Energie hinzu: “Es geht darum, dass wir zeigen: Wir gehören dazu!”

     

    Mehr Informationen zur Kampagne gibt es hier: www.deinratzaehlt.de

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  9. „Erst um halb 3 duschen dürfen. Wie fändest du das?“ – Anke Wortmann über ihren Weg zu mehr Selbstbestimmung und Teilhabe: im Privaten und in ihrer Stadt

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom NetzwerkBüro Frauen und Mädchen mit Behinderung / chronischer Erkrankung geführt.

    „Du kannst sowieso nichts, du kommst doch eh nur in die Werkstatt“ – Das hat Anke Wortmann als Jugendliche oft gehört. Und gerade deswegen hat sie ihr Leben selbst in die Hand genommen. Und das Stadtleben in Hamm aktiv mitgestaltet. Seit fast 20 Jahren ist sie Vorstandsmitglied von der Lebenshilfe Hamm. Und sie hat sich vor ihrer Rente im Werkstattrat für die Beschäftigten eingesetzt. „Ich bin eine Kämpferin und ich kämpfe nicht nur für mich!“, betont Anke Wortmann. Für uns klingt das stark und mutig.

    Anke Wortmann blickt in die Kamera und lächelt.

    Anke Wortmann ist 54 Jahre alt und hat seit ihrer Geburt eine Spastik und Lernbehinderung. „Na und? Mein Glas ist immer halb voll“, sagt sie dazu. Woran sollte sie das auch hindern? Außer am Restaurant-Besuch vielleicht. Das liegt aber an den unnötigen Barrieren: „Erst heute wollte ich frühstücken gehen, kam aber nicht in das Café hinein. Da war ich sauer!“, sagt Anke Wortmann. Die meisten Geschäfte und Lokale haben immer noch eine Stufe am Eingang. Und oft keine Bereitschaft, das zu ändern. Mit Rollstuhl oder Gehstützen kommt Anke Wortmann da nicht weit.

    Missstände immer ansprechen und hartnäckig bleiben

    Ausflüge, Konzert-Besuche, alles kein Problem. Aber in der Ritterpassage endete mal ein Ausflug mit einem Sturz aus dem E-Rolli. Da trommelte sie kurzerhand Politiker*innen aus Hamm zusammen. „Damit die sich die Bordsteinkante mal selbst angucken“ sagt sie. Danach wurde der Bordstein endlich abgesenkt. „Manchmal muss man den Leuten so richtig auf den Sender gehen! Einmal nett fragen, reicht oft nicht aus“, findet Anke Wortmann.

    Blick auf die Ritterpassage.

    Hier in der Ritterpassage endete mal ein Ausflug von Anke Wortmann mit einem Sturz aus dem E-Rolli. Foto: Henrik Wiemer, Westfälischer Anzeiger

    Vielen Menschen mit Behinderungen fehlt der Mut, Wünsche zu äußern

    Bis ins Erwachsenenalter werden viele nicht ernst genommen: von ihren Pflegekräften, Ärzt*innen, Betreuer*innen, manchmal von den eigenen Eltern. Das kann am Selbst-Bewusstsein kratzen. Besonders den Frauen in ihrem Umfeld gibt Anke Wortmann den Ratschlag: „Ihr müsst dranbleiben!“ Wenn das Wünsche äußern allein nicht hilft, kann man neue Möglichkeiten suchen: Der Arbeitsplatz, die Wohngruppe, aber auch der Pflegedienst oder die Arztpraxis – all das können Menschen mit Behinderung wechseln. Denn niemand muss sich gegen den eigenen Willen erst nachmittags duschen lassen. Oder sich die Privatsphäre nehmen lassen.

    Ankes Turnschuhe

    Selbst bestimmen kann auch heißen, dass ich bei der Schuh-Bestellung die Farbe für meine orthopädischen Schuhe aussuche. Anke hat sich für rosa Leder und Sterne entschieden.

    „Ich hab‘ mir einen Betreuer gesucht. Der hat mir geholfen“, erzählt Anke Wortmann. Unterstützen kann auch eine Interessen-Vertretung. In der Lebenshilfe-Werkstatt gibt es mittlerweile eine Frauen-Beauftragte. Und zur Europa-Wahl regte Anke Wortmann eine Informations-Veranstaltung an. Alle Werkstatt-Beschäftigten kamen in den Zentralhallen zusammen. Dort konnten sie sich über die einzelnen Parteien informieren. Denn auch Menschen mit Behinderungen dürfen und können wählen! Und sie brauchen genauso Informationen über Partei-Programme.

    Jede hat ein Recht darauf, ernst genommen zu werden

    Wie können wir Menschen mit Behinderungen noch mehr beteiligen? Dazu sagt Anke Wortmann: „Viele Menschen können nicht richtig lesen. Sie brauchen Leichte Sprache und Bilder neben dem Text!“ Rückhalt und Respekt von den Mitbürger*innen kann auch nicht schaden. „Manchmal sagen mir Fremde: Toll, was Sie so schaffen!“ Auch das macht Mut, sich noch mehr zu trauen.

     

    Mehr Informationen zur Kampagne gibt es hier: www.deinratzaehlt.de

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  10. Gespräche mir der Risikogruppe – Update von Julia Roos

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    Im April hat unser Team vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Münster mit verschiedenen Menschen aus der Risikogruppe telefoniert. Sie haben erklärt, wie sie die Corona-Situation erleben. So hat auch Julia Roos über ihre Situation berichtet. Jetzt, im Juli 2020, hat Sie uns ein Update gegeben:

    Wie geht es ihr mit den gelockerten Corona-Maßnahmen?

     


    Lesen Sie folgend den Artikel von April 2020:

    Julia Roos

    „Guten Tag, ich bin Julia, 24 Jahre alt, Sozialarbeiterin und lebe in Münster. Dort studiere ich den Masterstudiengang Heilpädagogik an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen.

    Foto Julia Roos

    Ich bin von einer Muskelschwäche betroffen, welche auf einem Gendefekt basiert. Deshalb sitze ich seit meinem siebten Lebensjahr im Rollstuhl und werde in der Nacht unterstützend beatmet.

    Wenn ich an dem Coronavirus erkranken würde, wäre das, auf Grund meines geringen Lungenvolumens, sehr gefährlich. Deshalb gehöre ich zur sogenannten #Risikogruppe!

    Um mich vor einer Infektion mit Corona zu schützen, lebe ich seit 52 Tagen [Stand: 29.04.2020] in Isolation. Das heißt: Ich bin seit 46 Tagen Zuhause. Zum Glück habe ich einen Balkon, auf dem ich trotzdem die Sonne genießen kann. Über soziale Medien und Videotelefonate halte ich den Kontakt zu meinen Freunden und meiner Familie.

    Ich lebe dank des Persönlichen Budgets und des Arbeitgebermodells mit elf Assistentinnen, die sich abwechseln, um mich 24 Stunden am Tag zu unterstützen. Meine Assistentinnen halten sich zurzeit sehr streng an die Hygienemaßnahmen und geben so ihr Bestes, zu meinem Schutz!

    Ich wünsche mir, dass die Menschen verstehen, wer zur Risikogruppe gehört und wir, die Menschen mit Behinderungen, von der Politik und der gesamten Gesellschaft berücksichtigt werden.

    Auch wenn ich etwas Angst habe, bin ich zu 95 Prozent positiv gestimmt und versuche meinen Alltag zurzeit mit Struktur, Freizeit und positiven Gedanken Zuhause zu meistern.“

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