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Bewerbung jetzt möglich: große Chance für NRW-Kreise

Tag Archive: Partizipation

  1. Bewerbung jetzt möglich: große Chance für NRW-Kreise

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    Unser Projekt “In Zukunft inklusiv.” ist im Mai gestartet. Mit ihm bekommen drei NRW-Kreise die Möglichkeit auf eine knapp dreijährige Prozessbegleitung zur Schaffung von nachhaltigen und wirksamen politischen Teilhabestrukturen für Menschen mit Behinderungen. Bis zum 31. August 2022 können sich Kreise bewerben. Vorrangig berücksichtig werden Kreise ohne politische Interessenvertretung (auf Kreisebene) und ohne Kreisbehindertenbeauftragte*n. Alle Infos gibt es auf der Projektseite: www.in-zukunft-inklusiv.de

    „Die Kreise haben eine wichtige und besondere Rolle bei der Entwicklung von effektiven und flächendeckenden partizipativen Strukturen für Menschen mit Behinderungen. Sie verbinden die angehörigen Gemeinden miteinander und können von ihrer Position aus gut koordinieren und vernetzen. Wenn dies gelingt, können Synergien genutzt, gemeinschaftlich Wissen generiert und tragfähige Lösungen entwickelt werden“, sagt Projektleiterin Merle Schmidt und ergänzt: „Die  Umsetzung stellt grundsätzlich eine große Herausforderung dar.“

    Projekt unterstützt Kreise dabei, die eigene Rolle und damit verbundene Aufgaben zu definieren

    An dieser Stelle setzt das Projekt „In Zukunft inklusiv.“ an. Es unterstützt die Kreise dabei, ihre Rolle in Bezug auf die Wahrung der Belange der Menschen mit Behinderungen zu definieren, um vor Ort eine passgenaue und nachhaltige Teilhabestruktur in der Kommunalpolitik zu schaffen.

    Paket an Qualifizierungsangeboten und individueller Prozessbegleitung

    Drei Jahre lang steht das Projektteam den Kreisen zur Seite. Schulungen, unterschiedliche Austausch- und Veranstaltungsformate sowie eine direkte und qualifizierte Beratung schaffen sowohl die notwendige inhaltliche Grundlage, wie auch die Möglichkeit, ein aktives Netzwerk vor Ort auf- und auszubauen. Damit erhalten die Kreise die Chance, sich einerseits rechtssicher und damit im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention aufzustellen. Sie schaffen aber auch mit besseren Teilhabe-strukturen die Möglichkeit für die Menschen vor Ort, den eigenen Wohnort mitzugestalten und so einen positiven Bezug herzustellen. „Ein inklusives Gemeinwesen macht Wohnorte attraktiv und zukunftsfest. Die Lebensqualität wächst für alle“, so Merle Schmidt.

    Vorrangig berücksichtigt werden Kreise, die weder eine politische Interessenvertretung auf Kreisebene noch eine Stelle für eine*n Kreisbehindertenbeauftragte*n aufweisen. Mehr Informationen zum Projekt und zur Bewerbung finden Sie unter: www.in-zukunft-inklusiv.de

     

    Das Projekt „In Zukunft inklusiv.“ wird finanziert vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.

     

  2. Mit Geduld und Standfestigkeit Richtung Inklusion im Hochsauerlandkreis

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen von #DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Arnsberg geführt.

    Mit Beginn dieses Jahres übernahm Ferdi Lenze die Funktion des ehrenamtlichen Beauftragten zur Wahrnehmung der Interessen von behinderten Menschen im Hochsauerlandkreis. Zuvor war er unter anderem Sprecher der Katholischen Behindertenhilfe im Kreis sowie 19 Jahre Vorsitzender des Kreis-Gesundheits- und Sozialausschusses. Diesem Gremium gehört er fortan als beratendes Mitglied an, ebenso wie der Kommunalen Konferenz „Gesundheit, Alter und Pflege“. #DeinRatZählt sprach mit ihm über sein großes Ziel, die kleinen Schritte dorthin und die Vorteile des Alters.

    Herr Lenze, wir verraten kein Geheimnis: Sie sind 70 Jahre alt. In diesem Alter lassen es die Menschen normalerweise ruhig angehen und genießen ihre Zeit. Warum übernehmen Sie jetzt noch einmal ein solch wichtiges Ehrenamt?

    Ferdi Lenze: Wer sagt denn, dass ich meine Zeit nicht genieße? Aber für mich gehören dazu eben nicht nur Urlaubsreisen oder Gartenarbeit. Ich habe mich immer politisch und sozial engagiert. Die meiste Zeit hier im Hochsauerlandkreis. Es ist ein Teil meines Lebens, mich für andere zu engagieren und die Gesellschaft mitzugestalten. Das hält mich in der Balance.

    Ihr jetziger Stellvertreter und langjähriger Vorgänger Heinz Arenhövel ist noch ein paar Jahre älter als Sie. Gibt es keine Jüngeren, die die Interessen von Menschen mit Behinderungen im Kreis wahrnehmen können?

    Oh doch, die gibt es in unserer Behinderten-Interessen-Vertretung (BIV) und die engagieren sich auch, wie, wo und wann sie können. Wir Älteren haben neben den notwendigen Erfahrungen einen entscheidenden Vorteil. Das ist Zeit. Wir sind ja ehrenamtlich tätig. Die Jüngeren stehen in ihrem Leben meist an anderen Stellen im Leben. Ausbildung, Studium, Familie, Berufstätigkeit. Da wird es mit der Übernahme von Ehrenämtern schwierig. Mein Terminkalender für die neue Aufgabe ist gut gefüllt. Wir haben hier im Hochsauerlandkreis ein eng geknüpftes und gut funktionierendes Netzwerk von Personen und Strukturen für die Belange von Menschen mit Behinderung. Viele Termine mit kommunalen Entscheidern laufen tagsüber. Aber grundsätzlich haben Sie recht: Mit Blick in die Zukunft brauchen wir viele engagierte junge Menschen. Da bin ich zuversichtlich, dass wir das in unserem Kreis künftig hinkriegen.

    Was steht denn auf der Agenda des neuen Behindertenbeauftragten?

    Ich will und werde dort anknüpfen, wo wir hier im HSK aktuell stehen. Zurzeit wird der Inklusionsplan überarbeitet. Daran mitzuwirken ist eine große Aufgabe und Herausforderung. Des Weiteren werden wir sehr oft angesprochen, wenn es um baurechtliche Fragen, wenn es um Barrierefreiheit im öffentlichen Raum geht.

    Ihre Vision?

    Ich hab’s nicht so mit den großen Plänen, sondern bin eher Pragmatiker. Was ist notwendig, was kann umgesetzt werden? Was geht finanziell? Es sind die vielen kleinen Schritte, die zu Veränderungen führen. Barrierefreiheit ist nicht nur der abgesenkte Bordstein. Dazu gehört auch zum Beispiel die Barrierefreiheit im Internet. Texte müssen in einer verständlichen Sprache geschrieben sein, damit alle diese lesen und verstehen können. Inklusion entsteht aber nicht durch Verordnungen, sondern in den Köpfen und Herzen der Menschen. Ich möchte möglichst viele Menschen mit auf diesen Weg nehmen und für Inklusion sensibilisieren. Dazu gehören die Verwaltungen in unseren Städten und Gemeinden, die Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Kirchen. Nur gemeinsam können wir etwas verändern.

    Welche Charaktereigenschaften braucht ein ehrenamtlich tätiger Behindertenbeauftragter?

    Das Amt hat lediglich eine beratende Funktion. Ich kann also nichts anordnen und anweisen. Ich muss überzeugen, nicht überreden. Dazu braucht es Geduld, aber auch Hartnäckigkeit, Standfestigkeit in der Argumentation und ab und an auch den notwendigen Biss. Das habe ich über viele Jahre gelernt.

     

    Logo DeinRatzählt. Es steht geschrieben: DeinRatzählt-Infos:Arbeitsbeschreibung des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Hochsauerlandkreis: Bestandsaufnahme der Hilfsangebote für Menschen mit Behinderungen Ermittlung von Bedürfnissen und Erwartungen von Menschen mit Behinderungen Erfassen der Situation in den Einrichtungen im Hochsauerlandkreis Informationen über behinderten-relevante Fragestellungen sammeln Vertretung bei allen behinderten-relevanten öffentlichen Terminen Weiterleitung von Anfragen, Anregungen und Beschwerden an die zuständigen Stellen Teilnahme an Sitzungen des Ausschusses "Gesundheit und Soziales" und der Kommunalen Konferenz "Gesundheit, Alter und Pflege" Regelmäßige Gespräche zu aktuellen Inklusions-Fragen mit der Verwaltung des Hochsauerlandkreises. Quelle: Internetseite des Hochsauerlandkreises.

     

  3. „Erst um halb 3 duschen dürfen. Wie fändest du das?“ – Anke Wortmann über ihren Weg zu mehr Selbstbestimmung und Teilhabe: im Privaten und in ihrer Stadt

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom NetzwerkBüro Frauen und Mädchen mit Behinderung / chronischer Erkrankung geführt.

    „Du kannst sowieso nichts, du kommst doch eh nur in die Werkstatt“ – Das hat Anke Wortmann als Jugendliche oft gehört. Und gerade deswegen hat sie ihr Leben selbst in die Hand genommen. Und das Stadtleben in Hamm aktiv mitgestaltet. Seit fast 20 Jahren ist sie Vorstandsmitglied von der Lebenshilfe Hamm. Und sie hat sich vor ihrer Rente im Werkstattrat für die Beschäftigten eingesetzt. „Ich bin eine Kämpferin und ich kämpfe nicht nur für mich!“, betont Anke Wortmann. Für uns klingt das stark und mutig.

    Anke Wortmann blickt in die Kamera und lächelt.

    Anke Wortmann ist 54 Jahre alt und hat seit ihrer Geburt eine Spastik und Lernbehinderung. „Na und? Mein Glas ist immer halb voll“, sagt sie dazu. Woran sollte sie das auch hindern? Außer am Restaurant-Besuch vielleicht. Das liegt aber an den unnötigen Barrieren: „Erst heute wollte ich frühstücken gehen, kam aber nicht in das Café hinein. Da war ich sauer!“, sagt Anke Wortmann. Die meisten Geschäfte und Lokale haben immer noch eine Stufe am Eingang. Und oft keine Bereitschaft, das zu ändern. Mit Rollstuhl oder Gehstützen kommt Anke Wortmann da nicht weit.

    Missstände immer ansprechen und hartnäckig bleiben

    Ausflüge, Konzert-Besuche, alles kein Problem. Aber in der Ritterpassage endete mal ein Ausflug mit einem Sturz aus dem E-Rolli. Da trommelte sie kurzerhand Politiker*innen aus Hamm zusammen. „Damit die sich die Bordsteinkante mal selbst angucken“ sagt sie. Danach wurde der Bordstein endlich abgesenkt. „Manchmal muss man den Leuten so richtig auf den Sender gehen! Einmal nett fragen, reicht oft nicht aus“, findet Anke Wortmann.

    Blick auf die Ritterpassage.

    Hier in der Ritterpassage endete mal ein Ausflug von Anke Wortmann mit einem Sturz aus dem E-Rolli. Foto: Henrik Wiemer, Westfälischer Anzeiger

    Vielen Menschen mit Behinderungen fehlt der Mut, Wünsche zu äußern

    Bis ins Erwachsenenalter werden viele nicht ernst genommen: von ihren Pflegekräften, Ärzt*innen, Betreuer*innen, manchmal von den eigenen Eltern. Das kann am Selbst-Bewusstsein kratzen. Besonders den Frauen in ihrem Umfeld gibt Anke Wortmann den Ratschlag: „Ihr müsst dranbleiben!“ Wenn das Wünsche äußern allein nicht hilft, kann man neue Möglichkeiten suchen: Der Arbeitsplatz, die Wohngruppe, aber auch der Pflegedienst oder die Arztpraxis – all das können Menschen mit Behinderung wechseln. Denn niemand muss sich gegen den eigenen Willen erst nachmittags duschen lassen. Oder sich die Privatsphäre nehmen lassen.

    Ankes Turnschuhe

    Selbst bestimmen kann auch heißen, dass ich bei der Schuh-Bestellung die Farbe für meine orthopädischen Schuhe aussuche. Anke hat sich für rosa Leder und Sterne entschieden.

    „Ich hab‘ mir einen Betreuer gesucht. Der hat mir geholfen“, erzählt Anke Wortmann. Unterstützen kann auch eine Interessen-Vertretung. In der Lebenshilfe-Werkstatt gibt es mittlerweile eine Frauen-Beauftragte. Und zur Europa-Wahl regte Anke Wortmann eine Informations-Veranstaltung an. Alle Werkstatt-Beschäftigten kamen in den Zentralhallen zusammen. Dort konnten sie sich über die einzelnen Parteien informieren. Denn auch Menschen mit Behinderungen dürfen und können wählen! Und sie brauchen genauso Informationen über Partei-Programme.

    Jede hat ein Recht darauf, ernst genommen zu werden

    Wie können wir Menschen mit Behinderungen noch mehr beteiligen? Dazu sagt Anke Wortmann: „Viele Menschen können nicht richtig lesen. Sie brauchen Leichte Sprache und Bilder neben dem Text!“ Rückhalt und Respekt von den Mitbürger*innen kann auch nicht schaden. „Manchmal sagen mir Fremde: Toll, was Sie so schaffen!“ Auch das macht Mut, sich noch mehr zu trauen.

     

    Mehr Informationen zur Kampagne gibt es hier: www.deinratzaehlt.de

    Text: Dein Rat zählt auf Instagram. Abgebildet ist zudem das Instagram Logo mit einem Kamera-Icon.

  4. “Wir tragen unsere Erfahrung in die Politik” – Susanne Schloms über ihre Arbeit im Behindertenbeirat des Kreises Warendorf

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Münster geführt.

    „Mich motiviert es, etwas zu bewegen und Dinge weiterzuentwickeln“, sagt Susanne Schloms, die seit zwei Jahren Vorsitzende des Beirates für Menschen mit Behinderungen des Kreises Warendorf ist. Die 53-Jährige hat selbst keine Behinderung, arbeitet jedoch seit 30 Jahren als Sozialarbeiterin in der Behindertenhilfe und ist seit 16 Jahren Mitglied des Beirates.

    Auf dem Foto ist Susanne Schloms zu sehen

    Inklusion und Gleichstellung vorantreiben

    „Unsere Arbeit ist so wichtig, weil wir unsere Erfahrungen in die Politik tragen und dadurch die Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen im Kreis Warendorf vorantreiben“, sagt Schloms.

    Zurzeit besteht der Behindertenbeirat im Kreis Warendorf aus rund 40 ehrenamtlichen Mitgliedern. Mit dabei sind unter anderem Vertreter*innen von Fördervereinen, Gewerkschaften, Arbeitsämtern, Elternbeiräten, Selbsthilfeverbänden und viele mehr. „Unser Auftrag ist es, die Lebensqualität der Menschen mit Behinderungen im Kreis Warendorf zu verbessern“, erzählt uns die Beiratsvorsitzende.

    Ein umfangreicher Inklusionsplan schafft Orientierung

    Der im Jahr 1994 gegründete Beirat hat sich in den letzten Jahren stark an der Entwicklung eines Inklusionsplans für den Kreis Warendorf beteiligt. „Hierbei sind wir die Experten und haben zu den Themen Wohnen, Schule und Verkehr viele wichtige Anregungen eingebracht“, so Schloms. Themen, wie das Bundesteilhabegesetz, das inklusive Wahlrecht oder der Wohnraum für Menschen mit Behinderungen beschäftigen die Mitglieder des Beirates regelmäßig.

    Inklusion ist ein Menschenrecht

    Inklusion ein Menschenrecht – „Mein Wunsch ist es, dass jeder Mensch bedingungslos Zugang zu allen Möglichkeiten in seiner Stadt hat, dafür engagieren wir uns im Beirat Warendorf tagtäglich!“, sagt Susanne Schloms.

    Interesse an einer Mitarbeit?

    Sie haben Anregungen für den Kreis Warendorf oder möchten sich dort auch im Beirat engagieren? Dann melden Sie sich bei Herrn Schabhüser unter 02581 53-5012 oder per E-Mail an beirat-fuer-menschen-mit-behinderungen@kreis-warendorf.de . Die Mitglieder des Beirates freuen Sich über Ihr Interesse!

     

    Mehr Informationen zur Kampagne gibt es hier: www.deinratzaehlt.de

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  5. “Beiratsarbeit ist Zukunftsgestaltung!” – Claus Meier über sein Engagement im Behindertenbeirat Rheine

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Münster geführt.

    „Ich engagiere mich im Behindertenbeirat Rheine, weil ich die Welt von morgen so mitgestalten möchte, dass Inklusion tatsächlich stattfinden kann“, sagt Claus Meier, der selbst blind ist und sich seit 15 Jahren ehrenamtlich im Behindertenbeirat Rheine für Menschen mit Behinderungen vor Ort einsetzt. 

    Der 58-Jährige, der seit fünf Jahren Vorsitzender des Beirates ist, sagt über seine Arbeit: „Das ist Zukunftsgestaltung!“. So haben Meier und seine Kolleg*innen die Umgestaltung des Marktplatzes in Rheine begleitet„Der barrierefreie Marktplatz zeigt, dass unsere Arbeit funktioniert“. Zuvor hatte der Beirat Rheine zu einem Probefahren für Rollatoren und Rollstühle auf dem Marktplatz aufgerufen, was dazu angeregt hatdas Kopfsteinpflaster abzuschleifen. „Ohne die Arbeit des Beirates gäbe es dort kein Blindenleitsystem und ich könnte mich nicht orientieren“, sagt Meier.  

    Caus Meier steht in der Innenstadt, er trägt ein hellgraues Tshirt, einen Rucksack und einen Langstock.

    Beirat bringt sich aktiv in den Ausschüssen ein 

    Damit solche Projekte umgesetzt werden könnenbesuchen die Mitglieder des Beirates die kommunalen Ausschüsse, wie beispielsweise den Bauausschuss, Jugendhilfeausschuss oder den Schulausschuss . Die Beiratsmitglieder haben dort Zuhör-, Rede- und Antragsrecht, aber kein Stimmrecht. „Ich kann dort zu allem eine Stellungnahme abgeben, womit ich gute Erfahrungen gemacht habe“, sagt Meier.  

    Er und seine Kolleg*innen wirken nicht nur in den Ausschüssen mit, sondern klären auch über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch Informationsveranstaltungen auf und vernetzen sich mit anderen Organisationen, Selbsthilfegruppen und wichtigen Personen: „Wenn das alles nicht so viel Spaß machen würde und keine Wirkung hätte, dann wäre ich nicht schon solange dabei.“  

    Ein großer Erfolg: der neu gebaute Busbahnhof 

    Unser größter Erfolg in den letzten fünf Jahren ist der neu gebaute Busbahnhof in Rheine: Durch die beratende Mitarbeit des Beirates bei der Planung wurde der Busbahnhof barrierefrei umgebaut. „Was für den einen eine lebenswichtige Begrenzung darstellt, ist für den anderen ein Hindernis. Wir versuchen für die verschiedenen Behinderungen immer den bestmöglichsten Kompromiss zu finden“, sagt Meier. Für die Zukunft wünscht der Beiratsvorsitzende sich einen Beirat, der aus aktiven und interessierten Mitgliedern besteht und eine weiterhin so produktive Zusammenarbeit mit der Politik und Verwaltung. 

    Der Behindertenbeirat Rheine 

    Der Behindertenbeirat Rheine besteht derzeit aus 16 Personen, die selbst betroffen sindAngehörige von Betroffenen oder Vertreter*innen verschiedener Gruppen oder Organisationen von Menschen mit Behinderungen sind.  

    Mitmachen erwünscht! 

    Wer eine Behinderung hat oder selbst Angehöriger eines Menschen mit Behinderung ist, seinen Wohnsitz in Rheine hat und das Lebensumfeld dieser Menschen mitgestalten möchte, der ist bei uns genau richtig!“, so Meier. Wer Interesse hat mitzuarbeiten, kann sich gerne, vor den Kommunalwahlen am 13. September hier melden: Frau DeluweitKoordinatorin der Behindertenarbeit der Stadt Rheine (Telefon: 05971 939 985 / E-Mail: y.deluweit@rheine.de)

     

    Mehr Informationen zur Kampagne gibt es hier: www.deinratzaehlt.de

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  6. „Ich mache den ersten Schritt“ Annette Runte über ihre Arbeit im Behindertenbeirat der Stadt Gütersloh

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    Dieses Interview erscheint im Rahmen der Kampagne „#DeinRatZaehlt!“ und wurde vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben Detmold geführt.

     

    Annette Runte ist 51 Jahre alt und seit 30 Jahren schwerbehindert. Vor fünf Jahren setzte sie sich gemeinsam mit anderen Mitstreiter*innen erfolgreich für die Gründung eines Behindertenbeirats in ihrer Heimatstadt Gütersloh ein. Seitdem ist sie aktives Mitglied und gestaltet so die Politik vor Ort mit. Warum sie das macht, was sie motiviert und auch, was sie manchmal ärgert, hat sie uns in einem Gespräch erzählt.

    Porträtfoto von Annette Runte: Sie hat kurze, graue Haare trägt eine markante Brille mit schwarzem Rahmen und ein hellblaues Hemd mit Kragen und kleinen blauen Punkten. Ihr Blick ist offen, sie lächelt.

    “Ich mache den ersten Schritt, denn kaum einer holt Menschen mit Behinderung in die Politik oder andere Gremien. Selber muss man den ersten Schritt machen, auf die anderen zugehen und klar machen, dass man sich aktiv beteiligen will. Erst wenn man sich darüber bekannt gemacht hat, wird man vielleicht direkt angesprochen.” Foto: Westfalen-Blatt, Carsten Borgmeier

    Frau Runte, warum ist Ihnen Ihr Engagement im Behindertenbeirat der Stadt Gütersloh wichtig?

    Ich engagiere mich in unserem Behindertenbeirat, um meinen Wohnort für Menschen mit Behinderung lebenswerter zu machen. Ich will damit möglichst viele Entscheidungsträger für die Belange von Menschen mit Behinderung sensibilisieren und bei anstehenden Projekten darauf achten, dass so weit wie eben möglich Barrierefreiheit hergestellt wird.

    Wie sind Sie dazu gekommen im Beirat mitzuwirken? Gab es einen bestimmten Auslöser?

    Ich habe mich schon bevor es einen Behindertenbeirat vor Ort gab, mit Hinweisen an die Stadt gewandt, wo Barrierefreiheit hergestellt werden muss. Aber als einzelne Bürgerin hat das nicht so das Gewicht. Deshalb habe ich mit dafür gekämpft, dass ein Behindertenbeirat eingerichtet wird, um der Notwendigkeit nach Barrierefreiheit mehr Nachdruck zu verleihen.

    Welche Themen werden bei Ihnen im Behindertenbeirat schwerpunktmäßig bearbeitet?

    Oft geht es um Barrierefreiheit auf Straßen, Rad- und Fußwegen, bei Bushaltestellen und öffentlich zugänglichen Gebäuden. Es gehört aber auch die allgemeine Sensibilisierung aller Entscheidungsträger für die Belange von Menschen mit Behinderung und natürlich die Beratung von Menschen mit Behinderung dazu.

    Gibt es Erlebnisse, die Sie bei Ihrer politischen Arbeit besonders motiviert haben?

    Auf jeden Fall die offenen Türen der verschiedenen Fachbereiche der Stadtverwaltung. Dort haben sehr viele ein offenes Ohr für die Belange von Menschen mit Behinderung. Und auch die Erfahrung, dass das Fachwissen des Behindertenbeirates sehr geschätzt und oft von Verwaltungsseite angefordert wird.

    Gab es auch Momente, die schwierig waren?

    Ja, zum Beispiel wenn man für eine Ausschusssitzung nicht zugelassen wurde, weil man nicht fraktionskonform abstimmen konnte, da die Belange von Menschen mit Behinderung dem entgegenstanden. Oder wenn die Fraktionen sich in keiner Weise bemüht hat, die Menschen mit Behinderung in die Sitzungen einzubinden, weil es vielleicht für die Nichtbehinderten anders und umständlicher ist, als sonst.

    Inzwischen werden wir aber eher eingeladen als ausgeschlossen. Außerdem ist in der Satzung des Behindertenbeirates festgelegt, dass wir jederzeit Anträge stellen dürfen. Und die werden auch immer angenommen, sogar, wenn sie etwas spät eingehen. Viele Politiker sehen uns inzwischen als hilfreiche Ergänzung.

     

    Wie kann man sich aktuell in Gütersloh eigentlich als Mensch mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen politisch beteiligen?

    Das geht im Behindertenbeirat, den Parteien, als sachkundige*r Bürger*in, in Selbsthilfegruppen und Vereinen. Dazu besteht die Möglichkeit, Briefe an die Stadt zu schreiben, in denen man genau begründet, was verändert werden muss und möglichst schon die Lösung mitliefert. Den Behindertenbeirat gibt es seit 2015. Die anderen Möglichkeiten bestehen schon seit vielen Jahrzehnten. Mitglied in einer Partei, einem Gremium, Verein usw. werden, war noch nie das Problem. Aber die aktive Mitarbeit als Mensch mit Behinderung in den politischen Gremien ist heute noch schwierig und häufig nicht erwünscht.

    Wie zugänglich ist bei Ihnen die Arbeit in der Kommunalpolitik und speziell in Ihrem Beirat?

    Die Verwaltung ist immer sehr bemüht, barrierefreie Räume für Treffen und Sitzungen des Behindertenbeirats zu wählen. Sie gehen auf die Belange der einzelnen Mitglieder so gut wie möglich ein und sind gerne behilflich.

    Bei den einzelnen Parteien sieht es schwieriger aus. Die meisten Geschäftsstellen sind nicht barrierefrei. Wenn dann mal Anpassungen vorgenommen werden wie etwa die Bereitstellung einer Rampe oder eines Treppenlifts, werden immer noch nicht die Betroffenen gefragt. Die Ergebnisse sind oft nicht für alle geeignet. Die Bemühung, Menschen mit Behinderung zu inkludieren, sind hier oft nur Worte ohne echte Taten.

    Frau Runte sitzt in ihrem Rollstuhl neben einem Stadtbus und drückt gerade auf den Knopf, der die Türen öffnet.

    Der Behindertenbeirat arbeitet eng mit dem Fachbereich Stadtplanung und der Stadtbus GmbH zusammen, um den Busverkehr in Gütersloh so barrierefrei wie möglich auszubauen. Ergebnis bislang: Alle Stadtbusse sind Niederflurbusse mit Rampe. Die Neuanschaffungen haben eine zweite Stellfläche für Rollstuhlfahrer und eine weitere Stellfläche für Kinderwagen, damit die Stellfläche für Rollstuhlfahrer frei bleibt. Foto: Westfalen-Blatt, Carsten Borgmeier

     

    Frau Runte, angenommen, Sie hätten jetzt drei Wünsche frei, was würden Sie sich in Bezug auf ihre Kommune wünschen?

    Zunächst strengere Auflagen für Bauherren und Architekten für barrierefreies Planen und Bauen, damit mehr Wohnraum entsteht, der für Menschen mit Behinderung nicht nur auf dem Papier geeignet ist.

    Dann würde ich mir so viel Sensibilität bei den Entscheidungsträgern für die Belange von Menschen mit Behinderung wünschen, dass Barrierefreiheit selbstverständlich ist.

    Und als drittes sollten sämtliche Voraussetzungen geschaffen werden, damit ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben mit Behinderung in unserer Stadt möglich ist.

    Was denken Sie, könnte helfen, neue Aktive für die Arbeit im Behindertenbeirat zu gewinnen?

    Es könnte helfen, die Vorhaben und Erfolge der Beiratsarbeit transparent für alle Bürgerinnen und Bürger zu machen, damit sie sehen, dass es sich lohnt, aktiv mitzumachen. Dazu sollten einzelne Menschen, die sich engagieren wollen, darin bestärkt werden und die Möglichkeiten aufgezeigt bekommen, wie sie aktiv werden können.

    Vor allem müssten aber auch die Politiker*innen immer mehr davon überzeugt werden, dass es für sie hilfreich ist, Menschen mit Behinderung aktiv am politischen Geschehen zu beteiligen.

    Außerdem würde es helfen, wenn die Kommunen durch Digitalisierung mehr Barrierefreiheit bieten, wie zum Beispiel Ausschusssitzungen im Internet streamen oder Unterlagen digital und barrierefrei anbieten.

     

    Mehr Informationen zur Kampagne gibt es hier: www.deinratzaehlt.de

    Text: Dein Rat zählt auf Instagram. Abgebildet ist zudem das Instagram Logo mit einem Kamera-Icon.

  7. Kampagne „Dein Rat zählt!“ unterstützt politische Partizipation in Kommunen

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    Können Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen überall in NRW gleich gut leben? Leider nein. Je nach Stadt oder Gemeinde unterscheiden sich die Möglichkeiten der Teilhabe enorm. Deshalb ist es wichtig, dass es überall Interessenvertretungen wie Behindertenbeiräte gibt, die vor Ort Ihre Belange aktiv einbringen und so an der Gestaltung ihrer Stadt, Gemeinde oder ihres Kreises mitwirken können. Eine Kampagne der Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben und unseres Projektteams von „Politische Partizipation Passgenau!“ soll nun zusätzlich für die politische Arbeit vor Ort werben und ihr eine Plattform geben.

     

    „Dein Rat zählt – Gestalte im Behindertenbeirat Deine Kommune für alle mit!“ So lautet der Titel der Kampagne. Im Zentrum stehen Porträts und Interviews Aktiver aus den Kommunen. Die Interviews sollen zeigen, was aktuell in NRW in den Behindertenbeiräten und Interessenvertretungen geleistet wird. Dazu sollen die unterschiedlichen Wege der politischen Partizipation aufgezeigt und Interessierte motiviert werden, sich selbst zu engagieren. Denn es ist wichtig, dass die Expert*innen in eigener Sache – die Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankung – mitdenken, mitreden und vor allem mitentscheiden, was in der eigenen Kommune passiert.

     

    Eine Frau von der Seite, die in ein Mikrophon schreit. Rechts unten zwei Sprechblasen mit dem Text "Dein Rat zählt!" links die Logos der Kompetenzentren Selbstbestimmt Leben NRW, des Projektes Politische Partizipation Passgenau und der LAG SELBSTHILFE NRW, darunter die Webadresse: www.deinratzählt.de und die Emailadresse: info@deinratzaehlt.de

     

    Ein guter Zeitpunkt, jetzt zu starten: die Kommunalwahl 2020

    Dieses Jahr wird in NRW gewählt. Das heißt auch in einigen Kommunen, dass sich die bestehenden Beiräte neu zusammensetzen. Ein guter Zeitpunkt für alle, miteinzusteigen, sich zur Wahl zu stellen und so aktiv zu werden. Und auch, um die Aufmerksamkeit, die der Kommunalpolitik durch die Wahlen zukommt, für die Neugründung einer Interessenvertretung, wie etwa eines Beirats, zu nutzen. 2020 ist also ein gutes Jahr, um aktiv zu werden!

     

    Eine Kampagne zum Mitmachen

    Es geht um die Aktiven vor Ort. Deshalb ruft das Kampagnen-Team zur aktiven Teilnahme auf. Erfahrungen und Anregungen können via Instagram, E-Mail oder telefonisch geteilt werden. Dazu stehen bald diverse Materialien, wie Postkarten und Vorlagen für Flyer oder Plakate zur Verfügung.

    Eine Frau sitzt vor einem grauen Hintergrund auf einer grauen Bank. In der Hand hält sie eine Schnur an der ein Fragezeichen wie ein mit Helium gefüllter Luftballon schwebt. Links ein großes orangenes Hashtag. Darunter eine gelbe Sprechblase in der steht: Deine Erfahrung zählt. Darunter steht: Mach mit und erzähle uns, wie Du deine Kommune gestaltest!

    Das Kampagnen-Team sucht Erfahrungen von Aktiven aus den Kommunen.

    Mehr Informationen

    Weitere Informationen zur Kampagne gibt es unter: www.deinratzaehlt.de

    Text: Dein Rat zählt auf Instagram. Abgebildet ist zudem das Instagram Logo mit einem Kamera-Icon.

     

  8. Covid19 und die politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen

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    Die Corona-Pandemie stellt unseren Alltag auf den Kopf und unsere Gesellschaft vor etliche Prüfungen. Und sie bringt uns zum Innehalten und genauer Hinschauen: Wo sind Schwachpunkte und wo die Potentiale. Was uns zum Thema „Politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen” führt. (Ein Beitrag des Teams unseres Projekts “Politische Partizipation Passgenau!”

    Unter den Hashtags #FlattenTheCurve und #WirBleibenZuhause sammeln sich seit den letzten Wochen zahlreiche Beiträge, Fotos und Erfahrungen zum Umgang mit der Corona-Krise. Sie zeugen von Sorgen, Nöten, manchmal auch von Humor, Unverständnis oder Zynismus. Vor allem dienen sie aber auch als Motivator: Wir schaffen das gemeinsam. Dabei geht es für viele Menschen nicht einmal primär um das eigene Risiko. In vielen – ja sogar den allermeisten Fällen in Deutschland – nahm und nimmt die Erkrankung an Covid19 einen sehr milden Verlauf mit schwachen oder keinen Symptomen. Es gibt aber Menschen, die stark durch das Virus bedroht sind. Menschen ab 50 Jahren etwa, und jene mit gewissen Vorerkrankungen wie Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Erkrankungen der Atemwege oder Krebserkrankungen. Es sind hier besonders die Älteren, die in den letzten Tagen häufig im Zentrum der Betrachtung stehen. Speziell sie gilt es zu schützen. Das ist korrekt aber nicht vollständig, denn es gibt einige Menschen die ebenfalls der Risikogruppe angehören, aber zunächst wenig bis keine Aufmerksamkeit bekommen haben.

    „Hi, Wir sind’s. Die Risikogruppe“

    Wurde in den ersten Tagen über die Risikogruppe in den Medien gesprochen, wurden Menschen mit Behinderungen oft nicht explizit benannt, obwohl sie zu großen Teilen dazu zählen. Aktivist Raul Krauthausen bringt das Problem mit einem Instagram-Post auf den Punkt. Er schreibt: „Hi, wir sind’s. Die #Risikogruppe. Du hast gedacht wir wären kettenrauchende Todkranke oder zumindest alt? Weit gefehlt. Keiner von uns ist Rentner und wir gehen genauso gerne wie du in Clubs, Bars und auf Konzerte. Worauf wir keinen Bock haben, ist sterben.“ Hier geht es zum gesamten Posting. 

    Damit stößt er eine kleine Online-Bewegung an, in deren Zuge sich viele Menschen mit sicht- und unsichtbaren Behinderungen und Erkrankungen in den sozialen Netzwerken als Teil der Risikogruppe vorstellen. Positiv ausgedrückt, ließe sich hier feststellen, dass die Corona-Krise auch vielen Sichtbarkeit verleiht, die oft in unserer schnellen, an Optimierungs- und Perfektionierungswahn betroffenen Gesellschaft untergehen. Zynisch könnte man aber auch sagen: Es braucht eine Pandemie, um diese Sichtbarkeit zu schaffen.

    Ein Instagrampost von Raul Krauthausen. Auf einer Collage sind mehrere Gesichter von Menschen abgebildet. In der Mitte steht auf einer schwarzen Kachel mit weißer Schrift ein Hashtag plus "Risikogruppe". Rechts ist ein Teil des Bildtextes von Raul Krauthausen zu sehen.

    “Wir sind’s, die Risikogruppe” – der Instagrampost von Raul Krauthausen hat viele Menschen motiviert, selbst online Gesicht zu zeigen und ihre Geschichte zu erzählen. (Der Link zum ganzen Post befindet sich im Text)

     

    Mit Bewusstsein lässt sich das Verhalten einer ganzen Gesellschaft ändern

    Dass die Krise Nöte und Schwächen in unserem sozialen Gefüge zuspitzt und diese so sichtbarer macht, ist bei all dem Übel, das sie verursacht, auch eine Chance, genauer hinzusehen und ein Bewusstsein für Themen zu entwickeln, die bisher wenig Raum in der öffentlichen Debatte hatten. So wird aus Sichtbarkeit Bewusstsein. Und mit Bewusstsein verändert sich das Verhalten einer Gesellschaft. Der Einblick in die Lebensrealität anderer  und der intensive Austausch mit ihnen kann dazu führen, dass wir unser Verhalten hinterfragen und anpassen. Sei es dadurch, dass wir anderen Menschen besser zuhören und verstehen, andere bei unserem Denken und Handeln im Blick behalten und sie unterstützen, wo es gewünscht ist und Zugänge schaffen, wo derzeit noch Barrieren stehen.

    Die Corona-Krise zeigt auf einmal: Es geht.

    In einigen Bereichen zeigt die Corona-Krise etwas ganz Wesentliches: Zugänglichkeit ist für alle machbar. Leistungen und Kommunikation werden zunehmend digitalisiert: Wir sehen es am Beispiel zahlreicher Lesungen, Konzerte oder Kongresse, die zurzeit virtuell für alle organisiert werden. So sind Kultur- und Bildungsangebote plötzlich auch für viele zugänglich, die bisher hier auf Barrieren gestoßen sind. Das betrifft auch viele Bereiche der Arbeitswelt. Homeoffice, Videokonferenzen, Online-Projektmanagement-Tools – bei einigen kann die Arbeit trotz Corona und ohne den direkten räumlichen Kontakt weitergehen. Und doch sorgt bei den Möglichkeiten, die sich hier auftun, ein Wermutstropfen für einen leicht bitteren Nachgeschmack, denn lange haben sich zahlreiche Menschen mit Behinderungen dafür eingesetzt, Arbeitsmarkt, Kultur und Bildung zugänglicher zu machen. Nun sind alle von der Pandemie betroffen und plötzlich sind Bereitschaft, Mittel und Wege da.

     

    Ein Bildausschnitt von der Website Change.org mit dem Titel: Lieber Jens Spahn,Corona-Infos auch in Gebärdensprache. Darunter ein Bild mit dem Gesicht einer Frau, die eine medizinische Atemschutzmaske trägt. Rechts die Information, dass bereits 28.393 Menschen unterzeichnet haben.

    28.939 Menschen haben schon unterschrieben: Mit einer Petition fordert Julia Probst Jens Spahn auf, alle Corona-Infos auch direkt in Gebärdensprache zu vermitteln. Der Link zur Petition befindet sich im Text.

    Und was hat das nun mit politischer Partizipation zu tun?

    Zum einen wird aktuell Grundlegendes erstritten. Ein Beispiel ist die verlässliche Übersetzung jeglicher Informationen zum Thema Covid19 in Gebärdensprache. Was in anderen Ländern Standard ist, fällt beispielsweise den öffentlich-rechtlichen Sendern hierzulande offenbar noch schwer. So wird etwa bei Pressekonferenzen des Robert Koch-Instituts die Dolmetscherin nicht mit ins Bild genommen. Auch die Bundesregierung beschäftigt, im Gegensatz etwa zum Robert Koch-Institut, keine eigenen Gebärdensprachdolmetscher*innen. Pressestatements und Ansprachen werden in der Regel nur nachträglich online zur Verfügung gestellt. Eine Online-Petition der gehörlosen Politikerin Julia Probst fordert deshalb die Bundesregierung dazu auf, ihren Verpflichtungen nach der UN-Behindertenrechtskonvention nachzukommen und alle Informationen in Echtzeit und vor allem auch im linearen TV in Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen. Neben dem Recht auf das gleiche Informationsangebot, würde ein Standard auch ein wichtiges Signal setzen: nämlich, dass gehörlose Menschen als Teil unserer Gesellschaft ernst genommen werden. Und dass die Kommunikation via Gebärdensprache genauso „normal“ ist, wie die gesprochene Sprache und somit kein alleiniges Thema für Spartensender. Besonders in den sozialen Netzwerken scheinen die aktuell sehr hartnäckigen Forderungen nach barrierefreien Informationen durchzudringen. Regierungssprecher Steffen Seibert verweist via Twitter mittlerweile recht offensiv auf Gebärdensprachübersetzungen der bundespolitischen Inhalte. Auch im Westdeutschen Rundfunk wurde kürzlich in einem Extra zur Corona-Krise noch einmal ausdrücklich auf das eigene Gebärdensprachangebot hingewiesen. Laut sein, ausdauernd auf Missstände hinweisen, sich einmischen – das Beispiel „Informationen in Gebärdensprache“ zeigt aktuell ganz stark: Es wirkt.

    Es gilt zu fordern und gute Beispiele zu fördern

    Es bewegt sich gerade viel. Neben all der Kritik und all dem, was aktuell noch nicht gut läuft, sammeln sich jetzt in der Krise konkrete Fallbeispiele, die zeigen: So kann es gehen – so kann auch eine inklusive Gesellschaft funktionieren. Aus einem abstrakten „es müssen nur alle irgendwie wollen“ werden konkrete Erfahrungen. Diese gilt es nun festzuhalten, herauszustellen und als Motivation zu nutzen, um während und nach der Krise beharrlich den Abbau von Barrieren und den Aufbau einer inklusiven Struktur zu fordern. Ob dies in der Kommunal-, Landes- oder Bundespolitik, auf Demos oder im Internet geschieht: Das alles ist ein Akt der politischen Partizipation und diese ist wesentlich, um auf ein gesellschaftliches Miteinander hinzuarbeiten und ein gutes Leben für alle zu erreichen

     

    Weiterführende Links:

    Barrierefreie Informationen zum Thema Corona/Covid19

    Leichte Sprache

    Information von der nordrhein-westfälischen Landesregierung:

    www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/corona-virus_leicht_2020-03-25_final_web.pdf

    Eine Gruppe an Übersetzer*innen, Prüfer*innen, Zeichner*innen und vielen anderen hat eine ganze Seite in Leichter Sprache ehrenamtlich erstellt:

    www.corona-leichte-sprache.de

     

    Deutsche Gebärdensprache:

    Petition Corona-Infos in Gebärdensprache:

    https://www.change.org/p/corona-infos-auch-in-geb%C3%A4rdensprache-f%C3%BCr-geh%C3%B6rlose-jensspahn-bmg-bund-rki-de-regsprecher-bzga-de-covid19-coronavirus-rechtaufgeb%C3%A4rdensprache

    Gesammelte Informationen zum Corona-Virus in Gebärdensprache:

    www.gehoerlosen-bund.de/coronavirus

    Auf der allgemeinen Infoseite des Landes NRW befindet sich ein Zugang zu einer Infohotline in Deutscher Gebärdensprache:

    www.land.nrw/corona

    Das Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben für Menschen mit Sinnesbehinderung hat eine allgemeine Information zum Corona-Virus in deutscher Gebärdensprache zur Verfügung gestellt:

    ksl-msi-nrw.de/de/node/2658

     

    Thema „Wir sind die Risikogruppe“

    https://dieneuenorm.de/coronavirus-risikogruppe-behinderung/

    www.zeit.de/video/2020-03/6143613851001/corona-pandemie-wir-sind-die-risikogruppe

    https://blog.zeit.de/teilchen/2020/03/16/coronavirus-risikogruppen-vorerkrankungen-junge-erwachsene/

    https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/coronavirus-wir-sinds-die-risikogruppe

    Betroffene berichten über ihren Umgang mit Corona:

    https://alnotalk.de/risikogruppe-leben-mit-der-angst-vor-corona/

     

    Einrichtungen für Menschen mit Behinderung und Corona:

    www.welt.de/politik/deutschland/article206767157/Raul-Krauthausen-zu-Corona-Behinderte-haben-Angst-um-ihre-Existenz.html

    Hilferuf der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege:

    http://awo.de/sites/default/files/2020-03/FAQ_Schutzschirm_BAGFW_final%2021.3.20.pdf

    Spechts Corona-Tagebuch:

    https://taz.de/Spechts-Corona-Tagebuch-2/!170591/

     

     

  9. 150 Besucher*innen bei Auftaktveranstaltung zu „Politische Partizipation Passgenau!“

    Kommentare deaktiviert für 150 Besucher*innen bei Auftaktveranstaltung zu „Politische Partizipation Passgenau!“

    Gut 150 Menschen sind am Dienstag (3.12.2019) im Wissenschaftspark Gelsenkirchen zusammengekommen, um das neue Projekt der Landesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE NRW kennenzulernen. Der Name “Politische Partizipation Passgenau!” verrät hier bereits das Thema: Ziel des Projektes ist es, NRW-Kommunen darin zu unterstützen, Barrieren in der Kommunalpolitik abzubauen – damit alle Menschen sich aktiv am politischen Geschehen beteiligen können.

    Die Assistenzkräfte standen den Besucher*innen mit Rat und Tat zur Seite

    Es war ein buntes Treiben in den sonnenbeschienenen Arkaden des Wissenschaftsparks Gelsenkirchen. Inmitten verschiedener Stände zum Themenbereich Teilhabe kamen Menschen aus Politik, Verwaltung und den unterschiedlichsten Selbsthilfebereichen rege ins Gespräch. Sie sind gekommen, um sich über die Angebote des neuen Projekts „Politische Partizipation Passgenau“ zu informieren, sich zu vernetzen und auszutauschen.

    Das Projektteam von “Politische Partizipation Passgenau!” stellt gemeinsam das neue Angebot vor. Mit dabei auch Annette Schlatholt, die Leiterin der LAG SELBSTHILFE NRW.

    „Es wäre ein Erfolg, wenn wir es schaffen, Schritt für Schritt immer weitere Partizipationspflänzchen zu pflanzen.“

    Was bei der Projektvorstellung vergangenen Dienstag sehr deutlich wurde: Noch ist es häufig eine Frage des Wohnorts, ob sich Menschen mit Behinderungen aktiv politisch beteiligen können. Fast die Hälfte der Kommunen in NRW hat bislang noch keine Form der Interessenvertretung – das ergab erst kürzlich eine Erhebung des Zentrums für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen. Wer in einer Gemeinde lebt, hat deutlich häufiger das Nachsehen im Vergleich etwa zu jenen, die in kreisfreien Städten leben. Mit dem neuen Projekt, das wie seine beiden Vorgängerprojekte vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (MAGS) gefördert wird, soll sich genau das ändern. Wurden in den zwei vorigen Projekten noch verstärkt die Bedarfe in den einzelnen Kommunen evaluiert, baut das neue Projekt nun auf dieser Grundlage auf und kann so die praktische Arbeit vor Ort noch passgenauer auf die einzelnen Kommunen abstimmen. Dazu erklärt Dr. Christof Stamm vom MAGS: „Das Projekt wird dazu beitragen, vor Ort einige Initiativen zu unterstützen, zu begleiten und dort, wo es bis jetzt noch keine Interessenvertretung gibt, möglicherweise welche einzuführen oder bereits bestehende zu verbessern. Es wäre ein Erfolg, wenn wir es schaffen, Schritt für Schritt immer weitere Partizipationspflänzchen zu pflanzen.“

    Brigitte Piepenbreier, Vorsitzende der LAG SELBSTHILFE NRW, Dr. Christof Stamm, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW und die Landesbehindertenbeauftragte Claudia Middendorf im Gespräch mit WDR Moderator Holger Beller.

    Zusammenarbeit auf Augenhöhe

    Auch Claudia Middendorf, die Landesbehindertenbeauftragte, nahm am Projektauftakt teil und stellte fest: „Erfolgreich sind wir im Bereich Partizipation dann, wenn Politik, Verwaltung und die unterschiedlichen Beiräte in den kommunalen Strukturen auf Augenhöhe miteinander arbeiten.“ Vielleicht wurde das ein oder andere Partizipationspflänzchen bereits an diesem Tag gepflanzt. Inspiration, wie ein Event in vielen Bereichen barrierefrei gestaltet werden kann, bot die Auftaktveranstaltung jedenfalls. Mit Schrift- und Gebärdendolmetschern, Live-Übersetzungen in Leichter Sprache oder auch dem Programm in Brailleschrift sollten die Inhalte für Alle Besucherinnen und Besucher zugänglich gemacht werden. Mit Blick auf die Beteiligung und den Austausch war die Mission erfolgreich: Beides war rege.

    Ob Podiumsdiskussion, Fachvortrag oder Projektvorstellung: Alle Teile der Veranstaltung wurden unter anderem auch von Schriftdolmetscher*innen begleitet.

     

    Weitere Eindrücke vom Tag

  10. Projekt “Politische Partizipation Passgenau!” ist gestartet!

    Kommentare deaktiviert für Projekt “Politische Partizipation Passgenau!” ist gestartet!

    Wir freuen uns sehr, dass zum 1. Mai 2019 ein weiteres Projekt zur Verbesserung der politischen Partizipationsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen und/ oder chronischen Erkrankungen in der Kommunalpolitik gestartet ist. Wie der Name “Politische Partizipation Passgenau!” schon vermuten lässt, werden wir in den kommenden drei Jahren die Kommunen in Nordrhein-Westfalen mit passgenauer Beratung und Begleitung unterstützen, die Beteiligungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und/ oder chronischen Erkrankungen in der Kommunalpolitik zu verbessern.

    Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

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